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Mit neuen Jobs gegen den Braindrain

Anthee Carassava nm
30. Dezember 2019

Der neue griechische Regierungschef macht Druck. Er will die seit der Finanzkrise verlorenen Talente zurückholen. Ein Programm soll dabei helfen und verspricht gut bezahlte Jobs. Doch kann das gelingen?

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Griechenland Schiff mit Griechischer Flagge
Bild: DW/I. Anastassopoulou

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise verließen Dimitris und sechs seiner engsten Freunde Griechenland. Sie alle suchten einen Job - irgendwo in der Europäischen Union.

Monate nach dem Aus der linken Regierung erwägen Dimitris' Freunde, nun wieder nach Hause zurückzuziehen. Vier von ihnen sind den Schritt bereits gegangen und wieder in der griechische Hauptstadt Athen. Hier haben sie einen Job oder gründen sogar ihr eigenes Unternehmen.

Dimitris selbst ist 33 Jahre alt. Der Wirtschaftswissenschaftler hat in Großbritannien studiert und in den vergangenen drei Jahren mit einer Reihe von multinationalen Unternehmen an Investitionsprojekten in Spanien gearbeitet. Er will "weiter abwarten". Dem ehrgeizigen Plan der Regierung traut er noch nicht so recht. Die möchte eine der größten Abwanderung von Fachkräften eines Industrielandes unserer Zeit beenden. Dafür verspricht sie gut bezahlte Jobs mit monatlichen Gehältern von mindestens 3000 Euro.

"Das ist ein guter Schritt", sagt Dimitris. Er möchte anonym bleiben, um mögliche negative Folgen bei seinem Arbeitgeber in Spanien zu vermeiden. "Kluge Köpfe verdienen Geld. Und wenn sie nach Griechenland zurückkehren, können sie Geld für sich und das Land verdienen." Er aber zögere noch, "den Köder zu schlucken", erzählt er am Telefon in Madrid. "Ich will noch mehr sehen, bevor ich meinen Koffer aus dem Schrank hole."

Starthilfe Privatisierung

Seit seinem Amtsantritt im Juli hat Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis alte Privatisierungspläne wieder zum Leben erweckt. Damit will er Arbeitsplätze schaffen, das Wachstum ankurbeln und der am stärksten angeschlagenen Wirtschaft der EU nach acht Jahren strenger Sparauflagen eine Starthilfe geben.

Der neue wirtschaftsfreundliche Kurs der Regierung in Griechenland hat dem Land bereits jetzt die europäische Aufschwunggeschichte des Jahres beschert: Um Rund 40 Prozent ist der Athener Leitindex Athex innerhalb eines Jahres gestiegen. Die verlorenen Talente des Landes zurückzuholen, bleibt eine der größten Herausforderungen für Mitsotakis.

Griechenland l Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis
Wirtschaftsfreundlich und ambitioniert: der griechische Ministerpräsident Kyriakos MitsotakisBild: picture alliance/Zumapress/J. Mattia

Das Programm mit dem Namen "Rebrain Greece" garantiert den Rückkehrern mindestens eine zweijährige Beschäftigung. Dabei wird das erste davon zu 75 Prozent vom Staat finanziert. Im Fokus der Offensive stehen hoch qualifizierte Fachkräfte und Wissenschaftler im Alter zwischen 25 und 40 Jahren. Insgesamt 500 Kandidaten hofft die Regierung, bis zum Februar anzulocken.

Aber eine Woche nachdem das Arbeitsministerium die Unternehmen dazu aufgerufen hat, Stellen auszuschreiben, seien gerade einmal zehn konkrete Angebote eingegangen. "Wir erwarten, dass das Projekt noch an Fahrt gewinnt", sagt Constantine Agrapidas, ein leitender Beamter des Arbeitsministeriums, der "Rebrain Greece" überwacht. "Es ist ein Pilotprojekt. Es wurde noch nie vorher gemacht. Aber wir sind sehr optimistisch."

Je nach Anklang bei den potenziellen Rückkehrern könnte der Projektrahmen auch noch verändert werden - auch, was weitere mögliche Vergünstigungen angehe. "Das Ziel in dieser Phase", so Agrapides gegenüber DW, "ist es hauptsächlich, die Bedürfnisse der griechischen Hightech-Unternehmen zu festzustellen."

Der Exodus der Hochqualifizierten

Rund 470.000 Griechen haben das Land seit 2008 verlassen. Ersten Prognosen über die schlechten wirtschaftlichen Perspektiven des Landes folgten damals Einstellungsstopps. Mindestens 270.000 der Auswander sollen qualifizierte Fachkräfte sein, darunter Ärzte und Ingenieure im Alter zwischen 20 und 39 Jahren. Wie die griechische Zentralbank berichtet, haben sie seitdem vor allem in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten Arbeit gefunden.

Griechenland: Startup-Unternehmen trotzen Schuldenkrise

Bei der Regierungsbildung im Juli setzte Mitsotakis bereits auf die Top-Talente aus dem Ausland. So warb er mehrere Mitarbeiter von Technologie-Giganten wie Google und Microsoft für sein Kabinett ab. "Wir erwarten nicht, dass sich die Dinge über Nacht ändern", sagt Grigoris Zarifopoulos, ein ehemaliger Google-Manager, der jetzt an der Spitze des griechischen Digitalministerium steht. "Auch ist dieses Vorhaben kein Plan, der die Abwanderung von Fachkräften heilen kann. Aber es ist ein Anreiz und ein Schritt in die richtige Richtung."

Schwierige Lockversuche

Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass vier von zehn Griechen, die wegen der Krise geflohen sind, nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen. Die Hälfte der Befragten gab an, dass sie es nur dann in Betracht ziehen würden, wenn sie ähnliche Gehälter und Arbeitsbedingungen wie im Ausland bekommen könnten.

"Ich bin vor acht Jahren nicht von zu Hause weggegangen, weil mir 3.000 € in meinem Monatsbudget fehlten", sagt Yiorgos Gotsinas, ein führender Berater für Unternehmenskommunikation. Er ging damals nach Großbritannien und baute sich in West Sussex ein erfolgreiches Geschäft rund um Robotik- und Computer-Codierwerkstätten für Kinder auf. Was ihn stattdessen vertrieb, erklärt er, seien die schlechten Aussichten auf ein "normales Leben" für sich und seine Familie gewesen.

"Es ist unrealistisch jemanden zu fragen, der im Ausland hart gearbeitet hat, um seiner Familie die Stabilität und die Aussicht auf eine bessere Zukunft zu bieten." Und dann witzelt er: "3000 Euro, um wieder nach Hause zu gehen? Nein danke."