Müll soll Geld bringen
19. September 2012Fragt man griechische Bürgermeister, was ihre größten Probleme sind, dann steht mit an oberster Stelle die Abfallbeseitigung. Das ganze Land ist übersät von Mülldeponien. Schließt eine wegen Überfüllung, wird die nächste aufgemacht. Dass das keine Lösung ist, gestehen immer mehr Kommunalpolitiker selbstkritisch ein. Besonders schlimm ist die Situation in der Stadt Tripolis auf dem Peloponnes, räumt der Bürgermeister Jannis Smirniotis ein: "Wir entsorgen den Abfall zu immensen Kosten. Wir könnten daraus Geld machen, stattdessen wenden wir für die Müllbeseitigung Mittel auf."
Nicht die Fehler Deutschlands wiederholen
Die Idee, dass man mit Abfall Geld verdienen kann, wird seit Monaten von Hans-Joachim Fuchtel auf Kreta, den Ägäischen- oder den Ionischen Inseln propagiert. Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium ist von Bundeskanzlerin Angela Merkel beauftragt worden, deutsche und griechische Kommunen für Know-How-Partnerschaften zu gewinnen.
Sein wichtigstes Argument für eine deutsch-griechische Zusammenarbeit in Sachen Abfallbeseitigung lautet: Man brauche die Fehler, die Deutschland gemacht habe, nicht zu wiederholen. "Vor 30 Jahren wurde in Deutschland nach Wegen gesucht, wie man Abfallbeseitigung effektiv organisieren kann. Bis man herausgefunden hat, wie es geht, haben wir viel Lehrgeld gezahlt." Die griechischen Kommunen könnten die deutsche Erfahrung für eigene Lösungen nutzen, so Fuchtel.
Zumal sowohl die Beratung als auch die Vermittlung von Wissen kostenlos sein wird. Griechische Kommunen werden nur für den Transport und die Unterkunft der deutschen Experten innerhalb Griechenlands aufkommen müssen. Die gleiche Regelung soll auch umgekehrt gelten, wenn griechische Kommunalbeamte und Fachkräfte nach Deutschland kommen, um sich vor Ort zu informieren und ausbilden zu lassen.
Ein Experte auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung ist Gerhard Bauer. Der Landrat des Kreises Schwäbisch Hall im Bundesland Baden-Württemberg hat den ganzen Prozess der Umstellung der Abfallentsorgung in seiner Region mitgestaltet. Griechenland könne - davon ist der gelernte Ingenieur überzeugt - in einigen Bereichen von deutschen Erfahrungen profitieren: "Da geht es einmal um die Frage der Erhebung von Müllgebühren. Das System in Griechenland setzt keine Anreize zur Müllvermeidung." Beratungsbedarf sieht Bauer auch für Konzepte für Mülltrennung und Mülldeponien.
Finanzmittel - ja, aber keine Bürgerakzeptanz
Durch Mülltrennung, also dadurch, dass in Privathaushalten Leichtverpackung, Glas, Papier, kompostierfähige Abfälle und Restmüll in jeweils verschiedene Abfalltonnen sortiert werden, kann der Müll gewinnbringend weiterverarbeitet werden. Je weniger Restmüll ein Haushalt produziert, desto kleiner die Abfalltonne und somit die fälligen Gebühren. Dadurch schafft man in Deutschland Anreize zur Mülltrennung.
Dieses Modell könnte auch für Griechenland interessant sein. Trotz Wirtschaftskrise und Haushaltskürzungen bei den Kommunen wäre sogar die Finanzierung zum Aufbau eines solchen Systems gewährleistet, ist sich Kostas Simitzis sicher. Die Kommunen, so der Bürgermeister der nordgriechischen Stadt Kavala, könnten eine Zusammenarbeit mit privaten Investoren eingehen und zudem auf Mittel aus dem JESSICA-Fonds der EU zurückgreifen, aus dem kommunale Stadtentwicklungsprojekte finanziert werden.
Dennoch würden solche Projekte auf den Widerstand der Bürger stoßen, weiß Simitzis. Die Anlagen zur Müllverbrennung bereiten ihnen Sorgen. Durch Verbrennung wird das Volumen des Mülls reduziert, um ihn entweder weiter zu verwerten oder zu deponieren. Das Misstrauen der Griechen gilt den Emissionen. Sie befürchten, dass Grenzwerte überschritten werden könnten. Die bisherigen Versuche, ein solches Abfallsystem zu installieren, seien daher auf die Ablehnung der lokalen Gemeinden gestoßen, so Simitzis. "Besonders hier brauchen wir Rat aus Deutschland: Wie ist es dort den Kommunen gelungen, eine so große Akzeptanz bei den Bürgern zu erreichen?"