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Griechenland: Schlimmster Waldbrand in der Geschichte der EU

Florian Schmitz aus Nordgriechenland
29. August 2023

Das Großfeuer in Nordgriechenland hat eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Naturschutzgebiete sind verbrannt, Lebensgrundlagen vernichtet. Viele Menschen vor Ort machen Geflüchtete für das Unglück verantwortlich.

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Verbrannte schwarze Baumstümpfe stehen in einer trostlosen Landschaft
77.000 Hektar Wald-, Natur - und Nutzfläche sind am Evros innerhalb weniger Tage verbranntBild: Florian Schmitz/DW

Valia Kelidou kann es immer noch nicht glauben. Über 12.000 Olivenbäume besaß ihre Familie am Stadtrand von Alexandroupolis - bis das Feuer kam. Jetzt sind weit über tausend Olivenbäume zu schwarzen Stümpfen verkohlt, der Boden des Hains ist von einer feinen weißen Ascheschicht überzogen. Und obwohl das Feuer längst weitergezogen ist, liegt noch immer der beißende Geruch von Rauch in der Luft. "Wir haben hier eine Firma aufgebaut, die in die ganze Welt exportiert. Unser Öl gewinnt wichtige Preise. Und dann stehst du da, siehst zu, wie das Feuer immer näherkommt, und alles, was du aufgebaut hast, geht einfach in Flammen auf", sagt Kelidou.

Brände sind in dem hügeligen, bewaldeten Gebiet am Grenzfluss Evros nichts Seltenes. In den vergangenen Jahren aber hat die Intensität der Feuer immer mehr zugenommen. Inzwischen ist klar: Noch nie in der Geschichte der EU hat es so schlimm gebrannt, ist so viel Fläche zerstört worden wie in den vergangenen Tagen am Grenzfluss Evros in Griechenland. Zu dieser traurigen Bilanz kam das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus nach der Auswertung von Satellitenaufnahmen.

Im Nordosten des Landes, an der Grenze zur Türkei, ist eine Fläche von 770 Quadratkilometern von den Flammen verschlungen worden. Das Universitätskrankenhaus der Provinzhauptstadt Alexandroupolis unweit von Kelidous Olivenhainen musste evakuiert werden, nachdem sich die Flammen bis an das Grundstück gefressen hatten. Schulen und Wohnhäuser wurden durch die Brände beschädigt, zahlreiche Helfer beim Kampf gegen die Flammen verletzt.

Eine Frau mit blonden Haaren, Olivenbäuerin Valia Kelidou aus Alexandroupolis, steht auf einem ihrer verbrannten Olivenhaine
Mehr als tausend Olivenbäume hat Valia Kelidou aus Alexandroupolis verlorenBild: Florian Schmitz/DW

Keine Prävention, keine Lösung

"Zum Glück hat es im alten Olivenhain nicht gebrannt, einem der ältesten Olivenhaine am Mittelmeer. Da stehen mehr als 2000 Bäume, die alle über 1000 Jahre alt sind", sagt Kelidou erleichtert. Dennoch: Für sie hat sich die Welt schlagartig geändert. Bereits vor dem Feuer haben Klimakrise und Inflation aufs Geschäft gedrückt. Jetzt müssen Kelidou und andere betroffene Olivenbauern neue Bäume pflanzen - 20 Jahre dauert es, bis diese normale Mengen an Früchten tragen, schätzt die Bäuerin. Die Region an der Grenze zur Türkei gilt ohnehin als wirtschaftlich schwach, die Feuer dürften die Situation nun noch weiter verschlechtern.

Kelidou ist sauer - auf die Behörden und vor allem die Politik. "Evakuierungen können doch nicht die einzige Lösung sein", betont sie. Wie andere Betroffene möchte sie ihr Hab und Gut nicht einfach aufgeben, sondern fordert eine bessere Brandprävention. "Ich bin nicht bei der Feuerwehr und keine Forstwissenschaftlerin, aber wenn es überall im Land brennt, dann muss man doch besser vorhersehen können, was zu tun ist", sagt Kelidou.

Naturschutzgebiet in Flammen

In Nordgriechenland brannte es an verschiedenen Orten gleichzeitig. So nah beieinander lagen die Brandorte, dass die Brandbekämpfer befürchteten, die Feuer würden sich zu einem einzigen Riesenfeuer vereinen. Neben dem Feuer um Alexandroupolis brannte es auch in den Bergen der Rhodopen sowie im Dadia-Nationalpark, einem in Europa einzigartigen Naturschutzgebiet. Flora und Fauna des Parks gelten als besonders vielseitig und der Ort als Niststätte seltener Raubvogelarten, die in den für den Wald typischen alten Pinien ihre Nester bauen.

Noch dauere es, bis man den genauen Schaden der Brände beziffern könne, sagt Sylvia Zakkak, Biologin und stellvertretende Leiterin der Parkverwaltung. Klar sei jedoch, dass ein großer Teil des Parks von den Feuern betroffen sei. Nicht alles aber sei ausgewachsener Wald gewesen, sodass bestimmte Teile sich schneller regenerieren könnten als andere.

Ein Weg führt durch eine schwarz-grau verbrannte Landschaft
Teile des Dadia-Nationalparks sind vom Feuer stark zerstört wordenBild: Achilleas Chiras/AP/picture alliance

Jetzt gehe es erst einmal darum, kurzfristig Abhilfe zu schaffen. "Zur Zeit stellen wir den Wildtieren Nahrung und Wasser zur Verfügung, damit sie das Gebiet nicht verlassen", erklärt Zakkak. Außerdem sei man in engem Austausch mit Experten in anderen Naturschutzgebieten. Viele der Raubvögel seien jahreszeitbedingt bereits nach Afrika migriert, man müsse sehen, wie diese reagieren, wenn sie zum Brüten zurück nach Dadia kämen. "Es ist eine Herausforderung, den Wald zu schützen. Hier sind viele Interessenvertreter im Spiel", sagt Zakkak.

Gewalt gegen Geflüchtete

Die Brände haben nicht nur Naturschutzgebiete und Lebensgrundlagen zerstört, sie haben auch eine hitzig geführte Diskussion neu angefacht. Seit Jahrzehnten liegt das Gebiet am Evros auf der Route von Migranten aus der Türkei in die EU. Weil es immer wieder zu illegalen Pushbacks seitens Griechenlands in die Türkei kommt und Gewalt, sexuelle Übergriffe und Diebstahl nicht selten sind, weichen Geflüchtete von den bekannten Routen ab. Um den Behörden aus dem Weg zu gehen und eine illegale Abschiebung zu vermeiden, verstecken sich viele von ihnen in den Wäldern.

Eine verbrannte Hütte mit Wellblechdach in einer verbrannten Landschaft
Bei dieser Hütte wurden die Leichen von 18 Geflüchteten gefundenBild: Alexandros Avramidis/REUTERS

Für 18 Geflüchtete, von denen man im Nationalpark Dadia am 22.08.2023 nur noch die verkohlten Leichname entdeckte, wurde dieser Schutzversuch zur Todesfalle. Der Vorfall ließ weite Teile der griechischen Bevölkerung allerdings ungerührt. Geflüchtete werden hier am Evros oft als "lathrometanastis" bezeichnet, "illegale Einwanderer" - ein im Griechischen negativ konnotierter Begriff, der sie entmenschlicht und andeutet, dass sie wie Zigaretten oder Alkohol geschmuggelt werden.

Bürgerwehren machen Jagd auf Geflüchtete

Doch die Waldbrände sorgen nicht nur für überhitzte Rhetorik. "Die jagen bestimmt Migranten", sagt ein Taxifahrer in Alexandroupolis am Wochenende nach den Todesfällen und deutet auf ein Auto, das in hoher Geschwindigkeit alle anderen Fahrzeuge überholt. "Die haben ja auch die Feuer gelegt", erklärt er. Die Angst vor den Feuern ist in Hass umgeschlagen, die Opfer werden zu Tätern deklariert - und gejagt. Vor einigen Tagen wurde ein Mann verhaftet, der eine Gruppe von 13 Migranten in einen Camper gesperrt hatte. Sie hätten die Wälder angezündet, so seine Begründung.

In einem Video, das er in den sozialen Medien verbreitete, öffnet er stolz die Tür des Campers einen Spalt breit, Licht fällt auf das Gesicht eines erschrockenen Mannes, hinter dem schemenhaft die anderen eingesperrten Männer zu erkennen sind. User kommentierten darunter: "Sammel sie nicht ein. Fackel sie ab!"

Regierungssprecher Pavlos Marinakis verurteilte die Aktion. Er teilte mit, dass Polizei und Justiz ihre Arbeit täten und jeder, der das Gesetz nicht respektiere, rechtlich verfolgt werde. Doch die nun aufkeimende Selbstjustiz ist hausgemacht. Migrationsforscherin Lena Karamanidou ist am Evros aufgewachsen und beschäftigt sich seit Jahren mit dem wachsenden Hass gegen Flüchtende in ihrer Heimat. Sie erinnert daran, dass schon in der Krise im Februar und März 2020, als Tausende Migranten zwischen der türkischen und griechischen Grenze festsaßen, wie auch jetzt wieder, Bürgerwehren Jagd auf Flüchtende machten und dabei oft auch zu Gewalt griffen.

"Damals haben staatliche Institutionen und die Medien diese Aktionen als legitime Verteidigung der Region, der Grenze und der Nation an sich gegen die 'hybride' Bedrohung aus der Türkei gerechtfertigt", sagt Karamanidou der DW. Diese Mentalität setze sich nun fort: "Während die neuesten Gewalttaten zwar vom Staat verurteilt werden, wurde die Gewalt als solche vom Staat gefördert."

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Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland