Griechenland nach der Invasion der Fußball-Hooligans
11. August 2023In Griechenland sucht man nach den Verantwortlichen für die gewalttätigen Ausschreitungen von Fußballhooligans in Athen Anfang dieser Woche (07.08.2023), bei denen ein junger Mann getötet wurde. Vor dem geplanten Spiel zwischen dem kroatischen Club Dinamo Zagreb und dem griechischen Verein AEK Athen war es zu Schlägereien gekommen. Über 100 rechtsradikale Mitglieder der Ultras des kroatischen Fanclubs "Bad Blue Boys" hatten sich mit gleichgesinnten Hooligans der griechischen Mannschaft Panathinaikos verabredet, um Jagd auf AEK-Fans zu machen, die als links gelten. Dabei wurden auch völlig unbeteiligte Bürger, die den lauen Sommerabend in der Nähe des Stadions Agia Sofia genießen wollten, angegriffen. Mindestens zehn Menschen wurden verletzt, vier von ihnen waren auch Tage später noch im Krankenhaus.
Eigentlich hatten die Funktionäre der UEFA geahnt, dass so etwas passieren könnte, denn die Gewaltbereitschaft der organisierten Fußball-Hooligans ist ihnen wohl bewusst. Darum hatten sie im Vorfeld die Anwesenheit von Dinamo Zagreb-Fans in Athen untersagt. Auch das Rückspiel in Zagreb sollte unter Ausschluss der Auswärts-Fans stattfinden.
Ein kolossales Versagen
Trotzdem konnten die Hooligans aus Kroatien ungestört nach Athen reisen. Mit Fahrzeugkolonnen durchquerten sie den halben Balkan, passierten unbehelligt die montenegrinische und die albanische Grenze und fuhren dann ungestört die 550 Kilometer von der Grenze bis in die griechische Hauptstadt.
Niemand hielt sie auf, obwohl die griechische Polizei mindestens drei Tage vorher von den kroatischen Behörden über die "Invasion" informiert worden war. Die für den Kampf gegen die Gewalt im Sport zuständigen Polizisten hatten rechtzeitig gewarnt. Die montenegrinischen Grenzbeamten hatten die Kennzeichen der vorbeifahrenden Autos der Hooligans an die griechische Polizei weitergegeben. Und die kroatischen Ultras hatten die letzten Kilometer zum Stadion mit der S- Bahn zurückgelegt, vermummt und mit Knüppeln bewaffnet. Die Polizei hatte sie - nach eigenen Angaben - "diskret beobachtet", jedoch ohne einzugreifen.
Und so konnten die gewaltbereiten Fans zuschlagen. Das Ergebnis: Ein junger Mensch, der 29-jährige Michalis Katsouris, ist tot, verblutet nach einer Messer-Attacke. Unklar ist, wer ihn getötet hat. Und die griechische Öffentlichkeit ist wieder einmal empört über das Versagen der Behörden.
Die Sündenböcke
Die Regierung in Athen suchte sofort nach einem Sündenbock - und fand sieben Personen, die zurücktreten mussten: Den Beauftragten für den Kampf gegen "Gewalt im Sport" und sechs hochrangige Verkehrspolizisten, verantwortlich für den Weg von der albanischen Grenze bis nach Athen.
Die meisten griechischen Medien, einschließlich der regierungsfreundlichen, fanden diese Reaktion unangemessen, ja lächerlich. Inzwischen wurden interne Polizeinotizen veröffentlicht, die bestätigen, dass alle zuständigen Polizeibehörden, darunter das Polizeipräsidium, rechtzeitig über die Ankunft, die Unterkünfte und die Kontakte der kroatischen Hooligans zum AEK-Rivalen Panathinaikos FC informiert waren. Es ist also nicht vorstellbar, dass ein paar Verkehrspolizisten die alleinige Schuld für das kolossale Versagen der Behörden tragen.
Die Oppositionsparteien fordern den Rücktritt von Bürgerschutzminister Jiannis Oikonomou. Dieser war allerdings erst vor wenigen Tagen in dieses Amt berufen worden, nachdem sein Vorgänger, Notis Mitarakis, am 28.07.2023 zurücktreten musste. Er hatte während der verheerenden Brände in Rhodos und Korfu Urlaub gemacht. Oikonomou ordnete eine interne Untersuchung an, um herauszufinden, wie es den kroatischen Hooligans gelungen war, trotz eines UEFA-Verbots nach Griechenland einzureisen und bis nach Athen zu kommen. Doch die Öffentlichkeit in Griechenland verbindet mit solchen Untersuchungen keine hohen Erwartungen. Man geht davon aus, dass sie eher der Vertuschung dienen.
Keine diplomatische Verstimmung
Nach dem Mord an dem 29-Jährigen wurden über 100 Verdächtige festgenommen, darunter offenbar versehentlich auch einige kroatische Touristen, die jedoch sofort wieder freigelassen wurden. In den griechischen Medien wurden Berichte und Analysen zu den Ultras, den Bad Blue Boys, und deren Vorliebe für die Nazis und die kroatischen Ustascha, einen 1930 gegründeten ultranationalistischen Geheimbund, veröffentlicht. Dennoch gab es in der Öffentlichkeit weder Ressentiments gegen Kroatien noch diplomatische Verstimmungen.
Der kroatische Ministerpräsident Andrei Plenkovic hatte schnell mit Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis telefoniert, um sein Beileid über den Tod des AEK-Fans auszudrücken und die gewalttätigen Ausschreitungen der kroatischen Hooligans zu verurteilen. Aber keiner der beiden Regierungschefs schlug vor, die Fußballspiele zwischen Dinamo und AEK abzusagen oder von der UEFA härtere Konsequenzen zu fordern.
Eine Frage der Zeit
Anscheinend will sich kein Politiker mit den mächtigen Fußballverbänden anlegen. Lediglich Jiannis Panousis, ein ehemaliger Bürgerschutzminister, sprach sich für härtere Strafen aus. Bei solchen ernsten Episoden wären weder Bußgelder noch das Spielen hinter verschlossenen Türen die Lösung des Problems, sagte er dem Ersten Programm des griechischen Rundfunks. Die Lösung sei der sofortige Abstieg der Mannschaften, bei Bedarf sollte man sogar die Liga stoppen. Panousis, der auch ein renommierter Professor für Kriminologie ist, kann im Fußball keine Tendenz zur Selbstreinigung erkennen. "Wenn wir die Säuberung im Fußball noch länger hinauszögern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem weiteren Todesfall kommt", warnt er.
Das Rückspiel zwischen AEK Athen und Dinamo Zagreb wird, wie geplant, am 15. August 2023 in der kroatischen Hauptstadt stattfinden. Das Hinspiel soll am 19. August nachgeholt werden. Beide Spiele werden ohne die Fans der jeweiligen Gäste ausgetragen.