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Griechenland: Die Rechnung, bitte!

Andreas Becker16. November 2012

Die Euroländer erwägen erstmals, Griechenland Milliarden zu schenken. Anders sind die Finanzlücken nicht mehr zu stopfen. Das zeigt auch der Streit zwischen Eurostaaten und IWF.

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IMF-Chefin Christine Lagarde listens und Bundesfinanzminister Wolfgang Schaeuble (Foto: Reuters / Andreas Manolis)
Bild: Reuters

Es hat nicht gereicht. Trotz zahlreicher Sparpläne und Reformen kann Griechenland seine Finanzlöcher nicht stopfen. Die Wirtschaft des Landes schrumpft so schnell, dass die Regierung mit dem Sparen gar nicht hinterherkommt.

Die Troika der Geldgeber aus Euroländern, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) will dem Land daher zwei Jahre mehr Zeit geben. Erst 2016 muss Griechenland sein Haushaltsdefizit wieder unter die Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken.

33 Milliarden Euro fehlen

Durch den Aufschub entsteht aber eine Lücke von fast 33 Milliarden Euro. Euroländer und IWF streiten nun darüber, wie das Loch gestopft werden kann. Die Euroländer würden am liebsten weitere Kredite geben oder Garantien übernehmen. Das kostet zunächst nichts, und die Regierungen der Geberländer könnten ihren Wählern auch weiterhin erzählen, dass für die Rettung Griechenlands kein Steuergeld ausgegeben wird, weil das Land alle Kredite auch zurückzahlen wird.

Der IWF jedoch will diese Scheinlösung nicht mittragen. Denn neue Kredite erhöhen die Schulden Griechenlands, und die sollen schließlich reduziert werden. Laut Plan muss die griechische Gesamtverschuldung bis zum Jahr 2020 von derzeit 180 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 120 Prozent sinken.

Spiel auf Zeit

"Die Schuldentragfähigkeitsanalysen für Griechenland, die der IWF vorgelegt hat, sind einfach nicht glaubhaft", sagt dagegen der Ökonom Hans-Werner Sinn, Direktor des Münchner ifo-Instituts. "Sie werden die 120 Prozent nicht erreichen können. Die Schulden steigen immer weiter, und die Wirtschaft des Landes schrumpft, weil es seine Wettbewerbsfähigkeit verloren hat."

Zankapfel Griechenland

Jean-Claude Juncker, der Chef der Eurogruppe, würde die störende Frist gerne um zwei Jahre auf 2022 verlängern, um etwas Zeit zu gewinnen. IWF-Chefin Christine Lagarde jedoch ist strikt dagegen. "Der Internationale Währungsfonds besteht ja nicht nur aus europäischen Staaten, sondern auch aus einer Vielzahl von Schwellenländern", sagt Rolf Langhammer, Wirtschaftsprofessor und ehemaliger Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

"Diese Länder erinnern sich noch gut an die harten Konditionen, die ihnen der IWF in der Vergangenheit auferlegt hat, als sie selbst in Schwierigkeiten waren." Entsprechend gering sei die Bereitschaft ehemaliger IWF-Schuldner, beim relativ reichen Europa nun andere Maßstäbe anzulegen, so Langhammer. Das spiegele sich auch in der harten Haltung von IWF-Chefin Lagarde wider.

Zweiter Schuldenschnitt

Sie drängt die Regierungen der Euroländer, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Bisher mussten nur private Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Beim nächsten Schuldenschnitt würden die Euroländer zur Kasse gebeten.

Rolf J. Langhammer, Professor für Wirtschafts- und Entwicklungspolitik (Foto: dpa)
Rolf J. LanghammerBild: picture-alliance/ dpa

Dagegen wehrt sich vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Für Deutschland und die meisten anderen Länder der Eurozone sei ein Schuldenerlass durch nationale Gesetze ausgeschlossen.

"Das Argument trägt meines Erachtens nicht", sagt Wirtschaftsprofessor Langhammer. "Denn auch bei der Umschuldungsinitiative für arme, überschuldete Entwicklungsländer wurde auf die Rückzahlung von Geldern verzichtet und einen Schuldenschnitt eingeleitet."

Angst vor dem Wähler

Der deutsche Finanzminister wehrt sich auch deshalb so vehement gegen einen Schuldenerlass, weil die Bürger dann konkret sehen könnten, wie viele Steuermilliarden die Unterstützung Griechenlands kostet. "Wir sollten uns auf andere Lösungen konzentrieren", sagte Schäuble am Dienstag (13.11.2012).

Schäuble schlägt deshalb vor, von Griechenland deutlich geringere Zinsen für bereits vergebene Kredite zu verlangen. Auch das würde die Geberländer letztlich Geld kosten, doch Schäuble bemüht sich, das möglichst nicht auszusprechen. Es "kostet nicht unbedingt mehr Geld", so Schäuble, allenfalls seien "Änderungen in den Einnahmen" vorstellbar. Die Angst des Politikers vor den Wählern ist spürbar.

Verschiedene Medien berichten unter Berufung auf Verhandlungskreise, dass die Euroländer nun in Erwägung ziehen, Griechenland mit direkten Transferzahlungen zu unterstützen. Ebenfalls im Gespräch ist eine Beteiligung der Europäischen Zentralbank, bei der bereits griechische Staatsanleihen im Nennwert von 45 Milliarden Euro lagern.

Noch ein Kompromiss?

Wie auch immer eine Lösung aussehen wird, sie muss vom IWF mitgetragen werden. Andernfalls können die nächsten Hilfen an Griechenland nicht ausgezahlt werden. Wirtschaftsprofessor Langhammer erwartet eine politischen Kompromiss. "Man wird Griechenland nicht fallen lassen und man wird weiter auf Zeit spielen."

ifo-Chef Hans-Werner Sinn (Foto: ifo Institut)
Hans-Werner SinnBild: ifo Institut

"Keiner möchte gegenüber seiner eigenen Klientel - seien das andere Länder beim IWF, seien es die eigenen Steuerzahler - zugeben, dass er sich in ein großes Risiko begeben hat", sagt auch ifo-Chef Hans-Werner Sinn.

Beide Seiten ignorierten dabei das eigentliche Problem: die fehlende Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands. "Griechenland müsste zwischen 30 und 40 Prozent billiger werden, um seine Schulden wieder tragen zu können. Bislang ist es aber immer teurer geworden."

Weil die Wettbewerbsfähigkeit durch Sparen allein nicht zu erreichen sei, bleibt für Sinn nur eine Lösung: Griechenland sollten die Schulden erlassen werden. Und dann müsse sich das Land aus der Eurozone verabschieden.