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Griechen proben den ganz großen Aufstand

19. Oktober 2011

Müllberge, keine TV-Nachrichten, die Fähren wie leblos in Piräus - in dieser Woche sollen die Streiks dem Spardruck der Athener Regierung Paroli bieten. Der Höhepunkt der Kraftprobe steht erst noch bevor.

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Sich türmender Müll auf einer Straße in der Stadt Thessaloniki (Foto: dapd)
Wegen der Streiks wachsen die Müllberge - hier in Thessaloniki - ständig anBild: dapd

In Griechenland legen die massiven Streiks gegen den Sparkurs der Regierung zunehmend das öffentliche Leben lahm. Bahnmitarbeiter und Journalisten schlossen sich den Protesten der Müllabfuhr, des Fährpersonals und der Steuer- und Zollbeamten an und legten ihre Arbeit nieder. In Radio und Fernsehen gibt es keine Nachrichten, an diesem Mittwoch (19.10.2011) sollen keine Zeitungen erscheinen. Die Fährverbindungen fielen den zweiten Tag in Folge aus, und auf den Bürgersteigen türmte sich nach Schätzungen mehr als 30.000 Tonnen Müll. Die Müllabfuhr ist bereits seit 17 Tagen im Ausstand. Wegen der Gefahr eines Seuchenausbruchs verpflichtete die Regierung inzwischen die streikenden Müllarbeiter zum Dienst.

48-stündiger Generalstreik zur Parlamentsentscheidung

Streikende Hafenarbeiter in Piräus (Foto: dapd)
Streikende Hafenarbeiter in PiräusBild: dapd

Staatsbedienstete blockierten die Eingänge zum Finanz- und zum Arbeitsministerium. Auch Anwälte schlossen sich dem Ausstand an. Die Gewerkschaften haben zu einem 48-stündigen Generalstreik aufgerufen, der am Mittwoch begonnen hat und am Donnerstag seinen Höhepunkt finden soll: Dann stimmt das Parlament in Athen über weitere Renten- und Gehaltskürzungen von Beamten ab.

Auch Lehrer, Ärzte, Taxifahrer und Bankangestellte legen ihre Arbeit nieder. Das wollen auch die Fluglotsen. Der Flugverkehr von und nach Griechenland dürfte dann weitgehend lahmgelegt werden, die deutschen Reiseveranstalter bereiten sich mit Sonderflugplänen auf den Ausstand vor. Die Gewerkschaften haben auch zu mehreren Kundgebungen und Protestmärschen im Regierungsviertel von Athen aufgerufen. Bei einer ähnlichen Streikaktion im Juni war es bei Massenprotesten zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.

Entlassung von Staatsbediensteten erstmals seit 100 Jahren

Das neue Sparpaket sieht weitere drastische Einschnitte im öffentlichen Dienst vor, darunter die Suspendierung von 30.000 Beamten bis zum Jahresende bei eingeschränkter Lohnfortzahlung. Zudem enthält das Programm weitere Lohnkürzungen im Umfang von 2,8 Milliarden Euro im öffentlichen Sektor. Erstmals seit 100 Jahren soll in dem Mittelmeerland auch die Entlassung von Staatsbediensteten möglich sein. Angesichts eines drohenden Staatsbankrotts will die Regierung in Athen die drastischen Sparmaßnahmen umsetzen, um die nächste Tranche des Rettungspakets im Umfang von 110 Milliarden Euro zu erhalten. Die erneuten Einschnitte gehen mit Steuererhöhungen einher. Die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Giorgos Papandreou verfügen über eine knappe Mehrheit von 154 Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament.

Aber auch dies wurde bekannt: Griechenland brachte erfolgreich dreimonatige Staatsanleihen im Umfang von 1,62 Milliarden Euro auf den Markt. Die Regierung musste den Anlegern dafür mit 4,61 Prozent etwas höhere Zinsen bieten als noch im Vormonat. Die Nachfrage nach den Papieren fiel kräftiger aus als noch im September: Die Anleihen waren 2,86-fach überzeichnet.

Autor: Stephan Stickelmann (dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader