Griechen hoffen auf sinkende Steuer
8. September 2014Dimitris Stamatopoulos blickt optimistisch in die Zukunft. Nach Ausbruch der griechischen Wirtschaftskrise im Jahr 2009 musste der Weinhändler zwar erhebliche Umsatzeinbrüche hinnehmen. Doch nun sieht er endlich "Licht am Ende des Tunnels" für Hellas und nicht zuletzt auch für sein Wein- und Spirituosengeschäft in der Athener Nordstadt. Sein Optimismus gründet vor allem darauf, dass viele Weinproduzenten und Kellereien die Konsequenzen aus der Krise ziehen und ihre Produktionskosten sowie die Abgabepreise senken, sagt Stamatopoulos. "Heute setzen wir gezielt auf kleine Winzer in ganz Griechenland, die gute Qualität zu günstigen Preisen liefern können. Unsere Strategie funktioniert ganz gut. Die letzten Jahre waren für uns eher schwierig, doch allmählich sieht es besser aus", freut sich der Weinhändler.
Dem Familienbetrieb macht allerdings die hohe Steuerlast zu schaffen: Wein wird mit einer Mehrwertsteuer von 23 Prozent belastet, eine zusätzliche Verbrauchssteuer konnte nur durch intensive Lobbyarbeit der Weinbranche verhindert werden. Eine recht saftige Immobiliensteuer und die 2011 eingeführte Sonderabgabe auf Heizöl lassen die Betriebskosten weiter steigen. Bis voraussichtlich 2016 müssen Kleinbetriebe und Freiberufler zudem einen Solidaritätszuschlag entrichten. "Ich hoffe, dass die Steuern endlich gesenkt werden, die Menschen können einfach nicht mehr zahlen", protestiert Stamatopoulos. Immer wieder würden Politiker Steuersenkungen versprechen, doch bisher ließen sie ihren Worten kaum Taten folgen, meint der Weinhändler.
Laxe Zahlungsmoral beim Staat
Über steigende Steuerlasten klagt auch Makis Stathopoulos. Der Sportlehrer aus dem Peloponnes besitzt mehrere Fitnessstudios im Großraum Athen und sieht seine Umsätze in den letzten Jahren schwinden. Die Folge ist klar: "Leider schulde ich dem Staat Geld, etwa für Sozialbeiträge. Aber der Staat schuldet mir seinerseits auch Geld wegen der hohen Steuer-Vorauszahlung", moniert er. Eine Aufrechnung sei nicht möglich und diese unnachgiebige Haltung der Staatsverwaltung treibe ihn langsam in den Ruin, klagt der Fitnesstrainer: "Ich werde aufgefordert, meine Schulden sofort auszugleichen und in bar zu bezahlen. Doch der Staat zahlt seine eigenen Schulden nur, wenn es ihm gerade passt."
Der Sportlehrer denkt ernsthaft daran, im Nachbarland Türkei ein neues Fitnessstudio zu eröffnen, um seine Einnahmen zu steigern. An die erhoffte Trendwende in Griechenland glaubt er jedenfalls nicht mehr. Die Kunden drehten jeden Euro zweimal um. Selbst über die bei ihm neu eingeführte Jahreskarte im Wert von 140 Euro - eigentlich ein Schnäppchenpreis - würde gefeilscht. "Natürlich habe ich meine Preise gesenkt, aber ich muss ja auch mein Personal, meine Rechnungen und meine Steuern bezahlen. Wie soll das denn gehen bei meinem reduzierten Jahreskartenpreis von 140 Euro?", fragt sich Stathopoulos.
Samaras: Das Schlimmste ist überstanden
Für Regierungschef Antonis Samaras ist die Trendwende in der griechischen Wirtschaft jedoch längst in Sicht: Das Schlimmste sei überstanden und die Schulden des Landes seien in absoluten Zahlen sogar rückläufig, erklärte der Premier bei der Eröffnung der größten griechischen Handelsmesse in Thessaloniki am Samstag (06.09.2014). Den krisengeplagten Wählern stellte der konservative Politiker erstmals Steuererleichterungen in Aussicht - darunter eine Senkung der Heizölsteuer und des Solidaritätszuschlages. Damit knüpft Samaras an eine lange Tradition an: Die Herbstmesse von Thessaloniki, mit der in Griechenland die politische Sommerpause endet, gilt für jeden Politiker als idealer Anlass, Wohltaten zu versprechen.
Ob Steuererleichterungen vertretbar und gegenfinanzierbar sind - darüber scheiden sich die Geister. Jannis Angelis, Chefredakteur der griechischen Wirtschaftszeitung Capital, sieht jedenfalls keine Alternative. "Die Menschen stehen ohnehin mit leeren Taschen da. Ob Steuersenkungen beschlossen werden oder nicht, sie finden sowieso statt, denn beim Steuerzahler ist nichts mehr zu holen", sagt der Wirtschaftsanalyst mit einem Hauch von Ironie.
Hoffen auf eine "umfassende Schuldenregelung"
Eine differenzierte Auffassung vertritt der ehemalige Industrieminister und Dozent für internationale Politik Andreas Andrianopoulos: Steuersenkungen seien durchaus vernünftig und auch nötig. Aber sie müssten eine deutliche Verkleinerung des aufgeblähten Staatsapparates mit sich bringen, alles andere sei nicht finanzierbar. Insofern habe Griechenland nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein politisches Problem, mahnt der Analyst. "Wir brauchen in der Tat dramatische Steuersenkungen, aber genauso dringend brauchen wir eine dramatische Kostensenkung im öffentlichen Dienst", meint Andrianopoulos. Doch leider wage es niemand, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. Deshalb sei die aus EU (Europäische Union), EZB (Europäische Zentralbank) und IWF (Internationaler Währungsfonds) bestehende "Troika" der internationalen Geldgeber skeptisch gegenüber Steuersenkungen in Hellas und verlange Maßnahmen zur Gegenfinanzierung.
Erste Gespräche über mögliche Steuererleichterungen führten griechische Regierungsvertreter mit der Troika bereits Anfang September bei einem Sondertreffen in Paris. Es war nur die Vorrunde für weitere Unterredungen, die voraussichtlich Ende September in Athen stattfinden. Zudem soll in den nächsten Wochen auch über eine umfassende Regelung der griechischen Schulden verhandelt werden. Nach Informationen des Athener TV-Senders MEGA sei für den November zu diesem Zweck sogar eine Schuldenkonferenz in den USA geplant.