Grenzpolizisten als Komplizen der Schleuser?
16. August 2016"Es ist beschämend, man kann es nicht anders nennen", sagte der bulgarische Premier Boiko Borissow in seinem ersten Statement zu dem Skandal um die mutmaßliche Zusammenarbeit seiner Grenzpolizei mit Schleuserbanden. Und er zog gleich die Konsequenzen: Auf sein Geheiß hin reichten der Leiter der Grenzpolizei in Bulgarien, Antonio Angelow, und sein Stellvertreter, Jotko Andrejew, am Montag ihren Rücktritt ein.
Die kurze Vorgeschichte: Am 8. August unterschreibt Antonio Angelow einen Vertrag mit der Firma "Edelweiß 0707" über die Beförderung von Flüchtlingen, die an der bulgarisch-türkischen Grenze aufgegriffen wurden, in die bulgarischen Flüchtlingslager. Noch im Juni wurde der Chef dieser Firma, Grigor Toschkow Grigorov, wegen Menschenschmuggel angeklagt, weil er in einem Bus 66 Iraker und Afghanen ohne gültige Papiere transportiert haben soll. Obwohl gerade gegen Grigorov ermittelt wurde, gewann seine Firma die Ausschreibung in Höhe von 100.000 Euro und sollte eigentlich mit demselben Bus im Auftrag des Staates Flüchtlinge befördern.
Druck an der Grenze
Hinweise auf zwielichtige Geschäfte rund um die Flüchtlinge in Bulgarien gibt es schon seit Monaten. Die Korruption innerhalb der Polizei sei ein großes Problem, sagte der ehemalige Chef der Grenzpolizei, Valeri Grigorov, bereits vergangene Woche im Gespräch mit der DW: "Es besteht eine 'Geschäftspartnerschaft' zwischen den Schmugglern und den Grenz- und Inlandspolizisten, die von den Verantwortlichen geduldet wird." Jetzt sieht er sich in seiner Einschätzung bestätigt - durch den aktuellen Skandal: "Die 100.000 Euro - bei denen es sich übrigens um EU-Gelder handelt - sollten eigentlich die Maßnahmen zur Sicherung der bulgarisch-türkischen Grenze unterstützen, nicht einen Schmuggler bereichern." Der Vertrag der Grenzpolizei mit einem mutmaßlichen Menschenschmuggler spreche dafür, dass sich diese Behörde gar nicht darum kümmere, mit wem sie es zu tun habe, kritisiert Grigorov. "Sie bedient nur die Privatinteressen der Behördenleitung. Es ist nicht bloß ein Verdacht auf Korruption: Die Korruption ist allgegenwärtig", beklagt der ehemalige Chef der Grenzpolizei.
Auch der Abgeordnete Atanas Merdschanow von der Sozialistischen Partei - die im Parlament in Sofia in der Opposition ist - erinnert daran, dass Politiker und Journalisten schon längst Alarm geschlagen haben: Sie hätten auf Menschenschmuggel-Kanäle aufmerksam gemacht, die von den Behörden gedeckt würden. Die "panische Reaktion der Regierung" auf den Skandal um die Grenzpolizei ändere aber nichts an dem wachsenden Druck an der türkisch-bulgarischen Grenze und an der immer höheren Zahl der aus Serbien nach Bulgarien zurückgeführten Migranten, sagt Merdschanow. Allein seit dem 22. Juli habe Serbien 2275 illegal eingereiste Syrer, Afghanen und Pakistaner nach Bulgarien zurückgeführt, bestätigte am Montag der serbische Militärsprecher Jovan Krivokapic.
Gespräche mit Ankara
Bulgarien liegt auf einer immer öfter von Flüchtlingen genutzten Route von der Türkei über Serbien in Richtung Nordwesteuropa. Das Land hat vor Kurzem an der türkischen Grenze neue Kontrollpunkte eingerichtet, um illegale Einreisen zu verhindern. Die meisten Flüchtlinge versuchen es zu vermeiden, im ärmsten EU-Land registriert zu werden, weil sie nach Mitteleuropa weiterreisen wollen.
"Der Migrationsdruck hat im August zugenommen", sagte der Direktor der bulgarischen Polizei, Hristo Tersijski. Seit Anfang August registrierte Bulgarien fast 2000 Versuche, die bulgarisch-türkische Grenze illegal zu übertreten. Bulgarischen Medienberichten zufolge soll die Türkei dem Nachbarland einen "Mechanismus zur bilateralen Zusammenarbeit" in der Flüchtlingskrise angeboten haben. Der bulgarische Premier Borissow wird am 24. August mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Ankara über dieses Thema sprechen.