Grüne verlangen für Jamaika Zugeständnisse
11. November 2017Vor der entscheidenden Woche der Jamaika-Sondierungen haben Vertreter der Grünen keine besonders rosige Zwischenbilanz gezogen. Grünen-Verhandlungsführer Jürgen Trittin ging in einem Interview des Berliner "Tagesspiegels" sogar so weit zu sagen: "Wenn heute Grünen-Parteitag wäre, müsste ich sagen: Von unserem Zehn-Punkte-Programm ist noch kein einziger Punkt umgesetzt. Für die Grünen steht es 0:10." Diese Woche sei für die Grünen ernüchternd gewesen, so Trittin. Bei einigen Themenfeldern habe es sogar Rückschritte gegeben.
Zugleich machte der Ex-Umweltminister deutlich, dass die Grünen kein Regierungsbündnis eingehen würden, wenn die Grundlagen dafür nicht stimmten. Formelkompromisse reichten nicht. "Ich glaube, wir Grünen müssen am wenigsten Angst vor Neuwahlen haben", sagte Trittin. CSU und CDU brauchen diese Koalition viel mehr als wir."
Grüne: Brauchen Fortschritt
Grünen-Verhandlungsführerin Katrin Göring-Eckhardt kritisierte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Union und FDP haben unser Angebot, Brücken zu bauen, noch nicht erwidert. Das war einer konstruktiven Arbeit in dieser Woche nicht zuträglich." Es brauche Fortschritt "nicht nur im wichtigen Bereich des Klimaschutzes und in der Asylpolitik, sondern auch bei der Europa-, Außen- und Innenpolitik."
Zu Wochenbeginn hatten die Grünen bei den Streitthemen Kohleenergie und Verbrennungsmotor Zugeständnisse in Aussicht gestellt. "Zurückgekommen ist nicht sehr viel", kritisierte Göring-Eckhardt.
Zum Ende der Beratungen am Freitag sprachen die Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen von Fortschritten, obwohl es bei den zahlreichen Streitthemen nach wie vor keinen Durchbruch gab. An diesem Sonntag wollen die Parteichefs und Verhandlungsführer zu einem Spitzentreffen im kleinen Kreis zusammenkommen. Am Donnerstag sollen die Sondierungen abgeschlossen sein.
In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" widersprach Grünen-Chefin Simone Peter der Einschätzung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, dass die Gespräche nun auf die Zielgerade gingen. "Die Zielgerade sehe ich noch nicht, der Weg ist noch weit, die Liste der Dissenspunkte lang."
FDP spricht von "Wahrnehmungsverzerrung"
Die FDP trat den Vorwürfen entgegen, dass nur die Grünen in den Sondierungsgesprächen Kompromissangebote machten und die anderen Parteien darauf nicht reagierten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Marco Buschmann, sprach von einer "klassischen Wahrnehmungsverzerrung": "Jeder sieht nur, was er selbst für die Verhandlungen tut. Aber auch wir haben schon einiges abgeräumt (…) Die Grünen können beruhigt sein: Es tun auch andere etwas."
Vor wenigen Tagen hatte FDP-Chef Christian Lindner Abstriche für eine große Steuerreform angekündigt. Die Partei habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für eine Reform im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro keine Mehrheit gebe, sagte Lindner.
rk/kle (afp, dpa, rtr)