Goldener Bär für chinesischen Krimi
15. Februar 2014Damit hatte niemand gerechnet: "Bai Ri Yan Huo" (Schwarze Kohle, dünnes Eis), ein chinesischer Film Noir, ist der große Gewinner der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Der Detektivfilm von Regisseur Diao Yinan wurde als bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Hauptdarsteller Liao Fan erhielt zudem einen Silbernen Bären für seine Rolle als einsamer und ziemlich fieser Expolizist Zhang. Der wurde vor fünf Jahren nach einem schief gelaufenen, sehr blutigen Einsatz vom Dienst suspendiert. Kurz darauf verließ ihn seine Frau, seitdem trinkt er zu viel und schlägt sich als Wachmann in einer miesen chinesischen Kleinstadt durch.
Düstere Geschichte
Und dann tauchen in der Handlung, wie schon vor fünf Jahren, wieder Leichenteile auf, unangenehmerweise auch in der Nudelsuppe eines Imbissstandes.Und wieder führen die Spuren in den Dunstkreis der hübschen Wäscherin Wu Zhizhen (Gwei Lun Mei). Zhang nimmt auf eigene Faust Ermittlungen auf, er hat wieder einen Fall und bald auch ausgeprägtes Gefallen an einer Frau.
Der Mut, mit einer ausgeprägten eigenen Handschrift eine Geschichte abseits der Glitzerstädte zu erzählen, wurde nun mit dem Goldenen Bären belohnt. Die Trostlosigkeit der namenlosen Provinzstadt im Norden Chinas fängt "Bai Ri Yan Huo" in ruhigen, oft weitwinkligen Bildern ein. Grellbunte Lampen erhellen die Nacht, auf den Straßen liegt Schneematsch, der Fortschritt macht sich hässlich breit, man tanzt bei roter Beleuchtung angestrengt zu spießiger chinesischer Popmusik. Der Film wechselt schroff Tempo und Tonlagen, spielt mit Farben und Spannung, führt in das Leben ganz gewöhnlicher Menschen und kommt schließlich zu einem auch für Schnüffler Zhang überraschenden Ende.
"Bai Ri Yan Huo" (Schwarze Kohle, dünnes Eis) lief als eine von gleich drei chinesischen Produktionen im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale. Ein deutlicher Beleg für das Erstarken des ambitionierten Kinos in Fernost ist auch der Silberne Bär für die beste Kamera, die dem Chinesen Jian Zeng zugesprochen wurde. Er erhielt die Auszeichnung für seine Bilder zu dem Drama "Tui Na" (Blinde Massage) von Ye Lou, in dem es um blinde und sehbehinderte Mitarbeiter eines medizinischen Massagesalons geht.
Abgehängte Favoriten
"Boyhood", der Wettbewerbsbeitrag des US-Amerikaners Richard Linklater, war der einhellige Favorit von Publikum und Kritikern. Dieses einmalige Spielfilmprojekt hat über mehr als ein Jahrzehnt alljährlich dieselben Darsteller vor der Kamera versammelt und das Vergehen der Zeit sichtbar gemacht wird. In Berlin wurde es allerdings nur mit einem Silbernen Bären für Regisseur Linklater bedacht. Das von der Kritik hochgelobte Nordirland-Drama "71" von Yann Demange ging dagegen leer aus.
Den Großen Preis der Jury erhielt der glanzvolle und prominent besetzte Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale, Wes Andersons "Grand Budapest Hotel". Die 23-jährige Japanerin Haru Kuroki wurde für ihre Rolle eines Dienstmädchens in den Film "Chiisai Ouchi" (Das kleine Haus) mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Und der französische Altmeister Alain Resnais wurde für seine Komödie "Aimer, Boire et Chanter" (Lieben, Trinken und Singen) mit dem Alfred Bauer Preis geehrt, einem Preis für Spielfilme, die neue Perspektiven eröffnen. Eine tolle Auszeichnung für einen 91-Jährigen.
Und sonst?
Deutschland ist mit gleich vier Produktionen ins Rennen um die Silbernen und den Goldenen Bären gestartet. Und es hatte Grund, sich zu freuen. Die Geschwister Anna und Dietrich Brüggemann durften einen Silbernen Bären für ihr Drehbuch zu dem Seelendrama "Kreuzweg" entgegennehmen.
Die Berlinale 2014 endet mit einer erfreulichen Bilanz. 330.000 Karten verkauft, das ist ein neuer Rekord. Und auch sonst darf man zufrieden sein. Viel Glamour aus Hollywood, spannende sozialkritische Produktionen und großes Unterhaltungskino - 10 gelungene Tage ganz im Zeichen des Films. Das Festival endet an diesem Sonntag mit einem Publikumstag.