"Goldene Morgenröte" unter Druck
22. Februar 2014Die griechische Justiz verlangt die Aufhebung der Immunität aller Abgeordneten der Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte". Die betroffenen Politiker waren bisher von strafrechtlichen Ermittlungen verschont. Einen entsprechenden Antrag, dem höchstwahrscheinlich stattgegeben wird, stellten die zuständigen Ermittler am Donnerstag (20.02.2014) beim griechischen Parlament.
Im Visier der Justiz stehen damit neun weitere Volksvertreter der rechtsextremen Partei, die mit insgesamt 18 Abgeordneten im Parlament vertreten ist. Gegen die andere Hälfte der Abgeordneten wird schon seit vier Monaten ermittelt. Auslöser für das Durchgreifen der Justiz war der Mord an einem Musiker und Linksaktivisten im September 2013. Nachdem sich der verdächtigte Täter als Mitglied der "Goldenen Morgenröte" ausgegeben hatte, wurden Parteichef Nikos Michaloliakos, Parteisprecher Ilias Kassidiaris, Chefagitator Christos Pappas und fünf weitere Schwergewichte der griechischen Neonazis festgenommen.
Ihnen wird vorgeworfen, an einer "kriminellen Vereinigung" beteiligt zu sein. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Dennoch waren Kassidiaris und zwei seiner Parteikollegen im Oktober bis zur Gerichtsverhandlung unter Auflagen freigelassen worden. Kommentatoren bewerteten dies als Rückschlag im Kampf gegen die Rechtsextremen. Nun wolle die Justiz aber zum nächsten Schlag ausholen, sagt Gerichtsreporterin Ioanna Mandrou im TV-Sender Skai. Es müssten sich allerdings nicht nur neun weitere Abgeordnete der Partei verantworten. "Auch Parlamentarier, die bereits inhaftiert oder unter Auflagen auf freiem Fuß sind, werden mit zusätzlichen Strafvorwürfen konfrontiert", erläutert Madou. Ihnen würden illegaler Waffenbesitz und diverse Kleindelikte vorgeworfen.
Europawahl wird zur Hängepartie
Bei der Wahl im Juni 2012 kam die "Goldene Morgenröte" auf sieben Prozent der Stimmen und zog damit erstmals ins griechische Parlament ein. Laut Umfragen agiert die Partei derzeit als drittstärkste politische Kraft im Land und darf sich bei der anstehenden Europawahl Hoffnung auf einen Einzug in das EU-Parlament machen. Zudem buhlen Schwergewichte der Partei um die Gunst der Wähler bei der griechischen Kommunalwahl, die parallel zur Europawahl stattfindet. Parteisprecher Kassidiaris hat bereits seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Athen angekündigt, sein Parlamentskollege Nikos Kouzilos kandidiert für den Stadtrat von Piräus - einer Hochburg der "Goldenen Morgenröte".
Wegen der laufenden Ermittlungen könnten Kandidaten der Rechtspartei nun von jeglichen Wahlen ausgeschlossen werden, glaubt Ioanna Mandrou: Ein Wahlverbot für angeklagte Abgeordnete sehe das Gesetz zwar nicht ausdrücklich vor, doch der oberste Gerichtshof Griechenlands müsse zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, wer zur Wahl zugelassen würde und wer nicht. Dass diese Entscheidung bei der "Goldenen Morgenröte" positiv ausfällt, sei derzeit schwer vorstellbar angesichts der aktuellen Ermittlungen, berichtet die Gerichtsreporterin.
Eine Antwort haben die Rechtsextremen schon parat. Um bei der Europawahl auf jeden Fall antreten zu können, gründeten sie eine Ausweichpartei. Im Falle eines Verbots der "Goldenen Morgenröte" würde eine neue Gruppierung mit dem Namen "Nationale Morgenröte" an der Wahl teilnehmen und den "Patrioten", wie die Rechtsradikalen sie nennen, eine politische Alternative bieten. Das erklärte Parteisprecher Kassidiaris Ende Januar bei einer Kundgebung vor 3000 Anhängern in der Athener Innenstadt.
Machtphantasien der Rechtsextremen
Kassidiaris ist der Auffassung, dass seiner Partei Großes bevorsteht: Immer wieder beruft er sich auf angebliche Geheimumfragen, die etablierten Politikern das Fürchten lehrten und eindeutig belegten, dass die "Goldene Morgenröte" zur stärksten politischen Kraft Griechenlands aufgestiegen sei. Altgedienten Parteien und sämtlichen Medien wirft er vor, diese angebliche "Wahrheit" vertuschen zu wollen.
Noch im vergangenen Oktober frohlockte der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras über die Verhaftungswelle an der Spitze der Neonazi-Partei und erklärte bei einem Besuch in den USA, er würde die Rechtsradikalen "zerquetschen". Umso zurückhaltender gibt sich der konservative Regierungschef in den letzten Stunden. Dahinter steckt Taktik, vermutet die Justizreporterin Lora Ioannou im Athener TV-Sender Alpha: "Die Regierung möchte wohl nicht, dass eine rein juristische Angelegenheit im Gewand einer politischen Kampfansage erscheint. Das könnte der 'Goldenen Morgenröte' in die Hände spielen, die ja schon heute in die Rolle des politisch Verfolgten flüchtet", erklärt die Athener Journalistin.