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Goethe-Medaillen

28. August 2011

Ariane Mnouchkine, Frankreich. Adam Michnik, Polen. David Cornwell alias John le Carré, Großbritannien. Drei europäische Intellektuelle. Drei Goethe-Medaillen für den Dialog der Kulturen beim Festakt in Weimar.

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Die Goethe-Medaille (Foto: dpa)
Die Goethe-Medaille wird seit 1955 verliehenBild: picture alliance/dpa

"Für uns war das europäische Projekt eine Öffnung der Gefängnistür", sagt der Pole Adam Michnik. "Europa ist in einem besorgniserregenden Zustand. Die Distanz zwischen den Institutionen und den Bürgern ist so groß wie nie zuvor", meint der Brite David Cornwell alias John le Carré.

Ein glühender Optimist und ein vorsichtiger Skeptiker trafen am Sonntag (28.08.2011) bei der Verleihung der diesjährigen Goethe-Medaillen in Weimar aufeinander. Anders gesagt: Ein Journalist und ehemaliger Bürgerrechtler diskutierte mit einem Bestsellerautor, der einmal Diplomat war und auch Spion.

Kulturraum Europa

John Le Carré und Adam Michnik (Foto: dpa)
John Le Carré (li.) und Adam MichnikBild: DW

2011, im sechzigsten Jahr seines Bestehens, wollte das Goethe-Institut mit der Vergabe der Auszeichnungen einen europäischen Akzent setzen und organisierte dazu auch eine Diskussionsveranstaltung. "Wir knüpfen an unsere Wurzeln an. Europa ist und bleibt die Basis für unsere Arbeit", betont Präsident Klaus-Dieter Lehmann und fordert zugleich einen "kulturellen Aufbruch". Die EU, die ja auch Sprach- und Kulturraum sei, werde heute allzu sehr unter ökonomischen und fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet. Dies führe zur Entfremdung zwischen Bürgern und Politik.

"Wir müssen weg vom verordneten Europa", unterstreicht er. John le Carré sah das ähnlich. "Wir haben so lange in der Freiheit gelebt, inzwischen gibt es Schönheitsfehler in unseren Demokratien." Der Populismus wachse im gleichen Maße wie die soziale Ungerechtigkeit. "Wir müssen aufpassen", warnt der Schriftsteller. Der polnische Publizist glaubt dagegen, dass Europa trotz einiger Fehlentwicklungen immer noch ein positives Projekt ist, ein Modell auch für andere Weltregionen. Schmunzelnd räumte Adam Michnik aber schließlich ein: "Europa kann sicher ohne den einen oder anderen Politiker existieren – aber nicht ohne die Bücher von John le Carré!" Beifall im Publikum.

Tolerant, kritisch, solidarisch

Goethe-Präsident Lehmann (li.) und die Preisträger sowie die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Pieper
Goethe-Präsident Lehmann (li.) und die PreisträgerBild: DW

Goethe-Präsident Lehmann würdigte den Polen Michnik in seiner Laudatio als einen "mutigen, unbestechlichen und toleranten polnischen Rebellen", einen "kulturellen Mitteleuropäer mit politischer Leidenschaft und Empathie für Andersdenkende". Adam Michnik zählte im kommunistischen Polen zu den oppositionellen Bürgerrechtlern, arbeitete im Untergrund, setzte sich für die Entspannung zwischen Ost und West, insbesondere die deutsch-polnische Aussöhnung ein, unterstützte die unabhängige Bewegung Solidarnosc. Er wurde mehrfach inhaftiert. Nach der Wende in Polen wurde Michnik Herausgeber der einflussreichen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Er ist ein bekannter Publizist und einer der herausragenden polnischen Intellektuellen.

John le Carré bezeichnete Präsident Lehmann als einen Autor großer humanistischer Literatur, einen kritischen und scharfsinnigen Beobachter des Zeitgeschehens mit einem "Gespür für die globalen Verwerfungen und Turbulenzen" und einer "großen Neugier auf andere Kulturen". Lehmann hob zugleich die Vorliebe des Briten für die deutsche Sprache hervor. Der Meister des Spionagethrillers sei eben auch der "prominenteste deutsch sprechende Schriftsteller Großbritanniens". Der Brite lernte schon als Jugendlicher Deutsch, arbeitete dann im diplomatischen Dienst – auch für den britischen Geheimdienst – in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. 1963 erschien sein erster Roman: "Der Spion der aus der Kälte kam". Das Buch thematisierte wie viele folgende Werke von John le Carré den Kalten Krieg und das schmutzige Agentenspiel auf beiden Seiten - und es wurde ein Welterfolg. Bis heute beschäftigt sich der 80-jährige Autor mit politischen, aktuellen Themen, Mafia, Korruption, Terrorismus. "Der Stoff wird ihm nicht ausgehen", prognostizierte Klaus Dieter Lehmann.

Prominente Preisträger

Ariane Mnouchkine (Foto: dpa)
Ariane MnouchkineBild: picture-alliance/dpa

Die dritte Goethe-Medaille geht in diesem Jahr an die französische Regisseurin Ariane Mnouchkine, die freilich wegen Dreharbeiten an einem Film nicht nach Weimar kommen konnte. Sie sei eine "Regie-Göttin", ein "Theatergenie, das ein unmittelbares Interesse an den Menschen" habe, sagte Klaus-Dieter Lehmann und würdigte besonders den Einsatz der Französin für die Freiheit der Künste und für verfolgte Künstler. Die heute 72-jährige Mnouchkine gründete vor mehr als vier Jahrzehnten das "Theatre du Soleil", ein einzigartiges Theaterkollektiv, das mit farbenprächtig-märchenhaften, aber auch explizit politischen Inszenierungen Furore machte. Sie knüpfte Kontakte in viele Länder. 2005 beispielsweise waren Mnouchkine und ihre Schauspieler zu Theaterworkshops in Afghanistan.

Die Goethe-Medaillen werden seit 1955 jedes Jahr vergeben. Geehrt werden Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um die Vermittlung der deutschen Sprache und um den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern der vergangenen Jahre gehörten unter anderen der Dirigent Daniel Barenboim, der Komponist Pierre Boulez, der Architekt Daniel Libeskind sowie Schriftsteller wie Ruth Klüger oder Jorge Semprun.

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Michael Borgers