Gefahren einer Reise durch die Luft
10. Mai 2016In jedem Jahr sind Zugvögel, große und kleine unterwegs. Dabei legen sie tausende Kilometer zurück, auf der Suche nach besserem Wetter und geeigneteren Lebensräumen, um Nahrung zu finden und ihre Jungen aufzuziehen. Die Reisen beeindrucken einerseits wegen ihrer Länge: Die winzige Küstenseeschwalbe zum Beispiel fliegt rund 70,900 Kilometer, von einem Pol zum anderen, jedes Jahr. Andererseits verfügen Zugvögel auch über eine ausgezeichnete Navigation, die locker mit GPS konkurrieren könnte. Frei von Gefahren sind sie darum natürlich nicht - Klimawandel, die Zerstörung von Lebensraum und Wilderei bedrohen die Tiere unterwegs.
Stellen Sie sich vor, Sie wären zu Fuß auf einer Hunderte Kilometer langen Tour unterwegs, die sie schon viele Male vorher bewältigt haben. Sie sind durstig, hungrig und die Füße tun Ihnen weh. Leider ist das Hotel mitten im Nirgendwo, wo Sie immer einen Schlafplatz hatten, einfach verschwunden. Und bis zum nächsten Hotel ist es ein langer Weg, Essen und Trinken haben Sie nicht mehr. Was würden Sie tun?
Zugvögeln passiert das heute andauernd. Städte, Landwirtschaft und Industrie verschlucken die Ruhezonen, die für die Vielflieger von entscheidender Bedeutung sind. Ein Beispiel: 65 Prozent des Watts im Gelben Meer bei China, Nord- und Südkorea, ist seit den 1950er Jahren verschwunden. Das Watt ist von großer Bedeutung für Vögel entlang einer Flugroute, die von Ostasien bis nach Australien führt. Das Verschwinden des Watts bedroht auch Arten wie die Pfuhlschnepfe (siehe Bild).
Andernorts, etwa in Nordafrika, verursacht die Verwüstung ganzer Landstriche erhebliche Probleme. Durch die Überweidung der Sahel-Zone, einer grünen Region an den südlichen Rändern der Sahara, verschwinden etliche Pflanzen. Hier befindet sich aber gleichzeitig eine beliebte Speisestelle von Millionen von Vögeln, die über die riesige Wüste fliegen müssen. Im Ergebnis breitet sich die Sahara aus, so dass es für Arten wie die Uferschwalbe immer schwieriger wird, das Sandmeer zu überqueren. Als Folge finden sich immer weniger dieser Vögel am Himmel über Europa.
Zugvögel werden zu Millionen auf der ganzen Welt gejagt, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Sie sichern einerseits den Lebensunterhalt von Menschen, werden aber auch als Hobby oder aus traditionellen Gründen gejagt. Netze sind dabei eine der wichtigsten Methoden. Sie töten zum Beispiel entlang der Nordküste Afrikas Millionen von Vögeln.
Und auch das Mittelmeer ist eine gefährliche Regionen für Zugvögel. Allein in Zypern wurden im Herbst 2015 zwei Millionen Tiere getötet, sagen die Vogelschützer von Birdlife. Arten wie die Mönchsgrasmücke landen in Netzen, werden geschossen, oder bleiben an präparierten Stöcken kleben, weil sie als lokale Delikatesse gelten.
Etwas weiter entfernt, in China, hat sich eine andere Singvogelart zu einer kulinarischen Mode entwickelt, weil es auch medizinisch von Vorteil sein soll, sie zu verzehren. Die Weidenammer, einst ein regelmäßiger Sommer-Gast am Himmel über Nordeuropa, bezieht ihr Winterquartier im südlichen China und in Indien. Doch seit den 1980er Jahren ist ihre Zahl um bis zu 90 Prozent eingebrochen, weil die Nachfrage nach der "Delikatesse" in den reicheren chinesischen Kreisen rasant gewachsen ist.
Wanderungen sind für Vögel regelrechte Hindernis-Parcours geworden, seit Menschen immer mehr hohe Gebäude in die Landschaft stellen. Laut RSPB, einer britischen Vogelschutzgruppe, stellen Windkraftanlagen, Leuchttürme und Stromleitungen eine erhebliche Bedrohung für Vögel dar, weil sie dagegen fliegen, oder elektrische Schläge bekommen können. Aber auch die Fackeln auf schwimmenden Öl- und Gasplattformen auf hoher See sind gefährlich. Vögel fliegen auf das Licht zu und kommen in den Flammen ums Leben. Wolkenkratzer, Fernsehantennen und Funkmasten stehen ebenso in den Flugrouten der Tiere. Sie werden damit nur schwer fertig, sagt der RSPB.
In einigen Fällen sorgt auch das Wetter dafür, dass Zugvögel ihre Routen ändern, verkürzen oder gar ganz aufgeben. Kleine Vogelarten, die kältere Gegenden Nordeuropas im Winter in Richtung Spanien oder Portugal verlassen, könnten bleiben, wenn es in ihrer Sommerheimat wärmer wird. Sollte sich das Wetter wiederum ins Kalte kehren, wären diese Tieren der Kälte schutzlos ausgeliefert. Wenn Frühlingswetter zu zeitig einsetzt, bedeutet das ebenso, dass Vögel früher als gewohnt zurückkommen, um zu brüten. Bei Wärme fangen auch Blumen früher an zu blühen und Insekten schlüpfen eher und über einen längeren Zeitraum. Infolgedessen ist das Nahrungsangebot für die Vögel nicht auf den Punkt verfügbar. Eventuell finden sie nicht genug zu fressen für ihre Jungen.