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Konflike verhindern - mit SMS

Euna Lhee /ke24. Februar 2015

Das Delta des Tana-Flusses in Kenia war in den letzten Jahren immer wieder Schauplatz blutiger Konflikte zwischen Kommunen. Schuld daran waren oft falsche Informationen. Damit soll jetzt Schluss sein, dank SMS.

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Nahaufnahme eines Mobiltelefons
Bild: Victorgrigas/CC-BY-SA 3.0

Als John Green vor einigen Wochen einen Blick auf das Display seines Mobiltelefons warf, sah er eine seltsame SMS: "Gestern gab es in Kipao eine Beerdigung”, stand da. Und: “Die Stammesoberhäupte aus Chara wurden von den Leuten verjagt.”

Nachrichten wie dieser muss sofort nachgegangen werden, also verlor Green keine Zeit. Er ist so etwas wie ein “Gerüchte-Ermittler”, beauftragt damit, Nachrichten, die im Delta des Tana-Flusses die Runde machen, auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen. Also rief Green seine freiwilligen Informanten in Kipao an, einem abgelegenen Dorf im Delta. Offiziell heißen diese Kontaktpersonen Community-Botschafter.

Konflikte zwischen zwei ethnischen Gruppen - den Hirten der Orma, die hauptsächlich muslimisch geprägt sind, und den Pokomo, vorwiegend christlichen Landwirten, hat es in den vergangen Jahrzehnten immer wieder gegeben. In den letzten Jahren aber ist es damit schlimmer geworden.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2012 und Anfang 2013 ist die Situation außer Kontrolle geraten. Es ist nicht klar, wie viele Tote es gab. Aber die Medien sprechen für den Zeitraum von 120 bis 220 Opfern. Sie berichteten davon, dass die Opfer erschossen, von Pfeilen oder Speeren durchbohrt wurden. Manche sollen bei lebendigem Leibe verbrannt sein, eingeschlossen in ihren Häusern, andere mit Macheten zerstückelt.

Unklar ist auch, was genau Auslöser für diese Welle der Gewalt war. Konflikte zwischen beiden Stämmen gab es immer wieder, oft ging es bei den Zusammenstößen um Rohstoffe, Landrechte, Nutztiere, Wasser.

Verschwörungstheorien

Die Entwicklung im Delta hat auch nicht gerade zum Frieden beigetragen. Landwirtschaftliche Bemühungen um die Bewässerung von Reis- und Zuckerrohrfeldern gingen nach hinten los. Manchmal wurden Feuchtgebiete kaputt kultiviert. Was übrig blieb, war nicht mehr zu bewirtschaften.

“Die meisten Ansätze haben nicht wirklich funktioniert, sie haben das Land verkümmern lassen”, sagt Thomas Zitelmann zu Global Ideas. Zitelmann lehrt am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Freien Universität Berlin. Er geht davon aus, dass die Projekte viel eher den Wettstreit zwischen beiden Stämmen angeheizt und so das Verhältnis untereinander weiter strapaziert haben.

Christopher Tuckwood ist der Geschäftsführer des Sentinel Projekts, einer Kanadischen Non-Profit-Organisation, die weltweit da aktiv ist, wo Gräueltaten passieren. Sie setzt dabei auf Technologie und Menschen, die in den betreffenden Gemeinden aktiv sind. Tuckwood ging Anfang 2013 ins Delta, um mit den Menschen vor Ort zu sprechen. “Jeder erzählte mir eine andere Version der Geschichte”, sagt er. “Es gibt sehr viele Verschwörungstheorien.”

Während seiner Reisen fiel Tuckwood immer deutlicher auf, welche Rolle Informationen - oder besser Missinformationen - in den gewaltsamen Konfliken spielten. Außerdem waren es Lokalpolitiker, die in Wahlzeiten Öl ins Feuer gossen, indem sie versuchten, die Streitigkeiten zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.

Ein Gerücht etwa lautete, dass die Orma AK-47 Maschinengewehre gekauft hätten, um die Pokomo-Gemeinden zu vernichten. Ein anderes stellte einen Pokomo als Arbeiter im Gesundheitsbereich dar, der dafür verurteilt wurde, Orma-Kinder vergiftet zu haben.

“Das sind einige Extrembeispiele und ich bin gewillt zu sagen, dass sie nicht wahr sind”, so Tuckwood weiter. “Aber der entscheidende Punkt ist, dass die Leute diesen Gerüchten glauben.”

Aktiv werden

Seine Beobachtungen brachten nun seine Kollegen dazu, ein Konzept umzusetzen, das “Una Hakika” heißt - Suaheli für “Bist du dir sicher?”. Das Projekt ging im Januar 2014 an den Start und folgt den Grundsätzen der Organisation konsequent. Es setzt auf Technologie in Form von Mobiltelefonen und kostenfreien SMS, um Gerüchte zu zerstreuen. Statt dieser Gerüchte werden der Gemeinschaft neutrale und genau geprüfte Einschätzungen übermittelt.

Das Projekt funktioniert, weil Mobiltelefone im Tana-Delta allgegenwärtig sind. Eine Studie des Sentinel Projekts ergab, dass 81 Prozent der Personen aus den Konfliktparteien ein Mobiltelefon besaßen, knapp die Hälfte davon internetfähig.

Laut Kode Komora, einem Pokomo, der ein Internet-Café betreibt und als einer von etwas 200 Community-Botschafter aktiv ist, sorge “Una Hakika” für einen spürbaren Unterschied. “Die Leute haben Gerüchte gehört und daraus voreilige Schlüsse gezogen. Man bekam nur die Anspannung mit”, sagt er und ergänzt, dass es nun nicht mehr diese Panik-Reaktionen gebe.

Jeder, der heute ein Gerücht hört, kann es per Telefon melden. Egal, ob per SMS oder online. Manche suchen auch einfach den Projektkoordinator John Green selbst auf, um ihm das Gerücht persönlich zu erzählen.

Was bedeutet das bezogen auf die Nachricht zur Beerdigung in Kipao? Green erkundigte sich bei seinen Quellen und konnte folgende Antwort senden: “Vielen Dank, dass Sie Una Hakika kontaktiert haben. Wir konnten das Gerücht überprüfen und es stellte sich heraus, dass es falsch ist. Kein Chief wurde verjagt.”

Ermutigt vom schnellen Anfangserfolg des Projekts würde es Tuckwood gern auch in anderen Teilen Kenias etablieren, insbesondere im Vorfeld der Parlamentswahlen 2017. Und er rät zur Vorsicht bei Nachrichten, die man aus dritter Hand bekommt.

“Una Hakika?” fragt er. “Bist du dir sicher?”

Eine Frau und ein Mann lächeln in die Kamera. (Photo: Adrian Gregorich)
Community-Manager sind das Bindeglied zwischen Projekt und Bevölkerung.Bild: Adrian Gregorich
Eine Gruppe von Menschen posiert vor einem Gebäude (Photo: Adrian Gregorich)
Dort sein, wo die Konflikte sind und mit den Menschen in Kontakt treten, das hat der Sentinel-Organisation geholfen.Bild: Adrian Gregorich
Menschen und Tiere überqueren einen Fluß (Photo: Adrian Gregorich)
Gerüchte gibt es viele am Tana-Fluß. Sie können Konflikte zwischen Volksgruppen auslösen. Dagegen gehen “Gerüchte-Ermittler” vor, die den Wahrheitsgelhalt überprüfen.Bild: Adrian Gregorich