Gipfeltreffen im Terror-Schock
7. Juli 2005
Am Donnerstagvormittag hatten die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands gerade ihre Arbeitssitzung aufgenommen, als die ersten Nachrichten aus London eintrafen. Eigentlich wollte man im einige hundert Kilometer nördlich gelegenen schottischen Luxusresort Gleneagles über weltwirtschaftliche Probleme und den Rekord-Ölpreis sprechen, die umstrittenen Fragen des Klimaschutzes diskutieren – plötzlich war alles anders: Der britische Premierminister Tony Blair informierte seine Kollegen über das Geschehen in London. Attentäter hatten dort im morgendlichen Berufsverkehr vier Sprengsätze gezündet.
Einmütige Demonstration
Die Delegationen zogen sich zurück, um über einen möglichen Abbruch des Treffens zu beraten und Kontakt in ihre Heimatländern aufzunehmen. Dann reagierten die Vertreter der G8 auf die Terror-Anschläge mit demonstrativer Einigkeit: Die Staats- und Regierungschefs traten gemeinsam vor die versammelte Weltpresse. Tony Blair verkündete mit bebender Stimme: Der Gipfel wird fortgesetzt.
Vor seiner Abreise nach London verlas Tony Blair in Gegenwart seiner Kollegen eine gemeinsame Erklärung. Auch die Staats- und Regierungschefs aus den Schwellenländern China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko trugen das Dokument mit. "Wir verurteilen diese absolut barbarischen Angriffe", sagte Blair. "Wir sind vereint in unserer Geschlossenheit, dem Terrorismus zu begegnen und zu besiegen. Es ist nicht ein Angriff auf eine Nation, sondern auf alle Länder und zivilisierte Menschen überall."
Die Solidarität der Gipfelrunde gilt dem britischen Premier und Gastgeber Tony Blair - den Angehörigen der Toten und Verletzten gilt ihr Mitgefühl. Blair begab sich nach London, um sich ein Bild vom Ausmaß der Anschläge zu machen und an einer Krisensitzung der Regierung teilzunehmen. Danach nimmt er weiter am Gipfel teil.
Terror verändert den Gipfel
Die Anschläge haben das G8-Treffen in Schottland dramatisch verändert. Noch nie in der 30jährigen Gipfel-Geschichte blickten die mächtigsten Männer der Welt beim so genannten "Familienfoto" so ernst in die Kameras. Die Kontrollen rund um das Tagungshotel wurden noch einmal verschärft. US-Präsident Bush sagte, die Bomben von London zeigten auch, dass der Krieg gegen den Terrorismus weiter gehen müsse. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wirkte sichtlich aufgewühlt, als er sagte, man müsse alles tun, "den Terrorismus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen."
Tagesordnungspunkte abarbeiten
Am Nachmittag setzten die Gipfel-Teilnehmer ihre Beratungen fort – gemeinsam mit den Staatschefs aus China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Die Veröffentlichung fertiger Abschlussdokumente zum Klimaschutz und zur Weltwirtschaft wurde auf Freitag verschoben. Dann wird es in Gleneagles auch um das eigentlich geplante Top-Thema gehen: den Schuldenerlass für 18 der ärmsten Länder der Welt. Erwartet werden dazu die Staatschefs aus sieben afrikanischen Staaten. Dennoch: Es ist seit Donnerstag ein anderer Gipfel als geplant. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac fasste es in zwei Sätze: "Das Ziel der Terroristen war, die G8 kaputt zu machen. Das ist ihnen nicht gelungen."