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Giovane Élber: "Deutschland kann ins Finale kommen"

Das Interview führte Geraldo Hoffmann24. Juni 2006

Für den früheren Stürmer des FC Bayern München, Giovane Élber, hat die Nationalmannschaft seiner Heimat Brasilien bei der WM-Vorrunde negativ, die deutsche Elf positiv überrascht.

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Giovane Élber spielt jetzt bei Cruzeiro Belo HorizonteBild: Cruzeiro/Divulgação

DW-WORLD.DE: Was waren für Sie die großen Überraschungen der Vorrunde?

Giovane Élber: Die großen Überraschungen für mich waren Ghana, das bei seiner ersten WM-Beteiligung das Achtelfinale erreichte; die Schweiz, die einen sehr guten Fußball spielt; und Portugal. Felipão [Trainer Luis Felipe Scolari] macht eine sehr gute Arbeit und hat Portugal das Gesicht einer Gewinner-Mannschaft gegeben.

Wie beurteilen Sie die Leistung Brasiliens in der Vorrunde?

Ich hatte mehr von der Seleção erwartet, als das, was sie in den ersten beiden Spielen geboten hat. Das Spiel gegen Japan war sehr gut, um den Eindruck der ersten beiden Spiele los zu werden, dass Brasilien mit angezogener Handbremse spielt. So konnte das Team zeigen, dass die Brasilianer doch noch Tore schießen und nicht nur 1:0 oder 2:0 siegen können.

Brasilien spielte bei den ersten beiden Spielen einen "bürokratischen Fußball". Hat Parreira dabei Fehler gemacht oder lag es einfach an der fehlenden Kondition der Spieler?

Bei den ersten beiden Spielen haben die Brasilianer nicht gezeigt, was sie drauf haben. Ich glaube, jeder in Deutschland und auch in Brasilien hatte erwartet, dass die so spielen wie die Argentinier gespielt haben, mit tollem Kombinationsfußball und vielen Toren. Aber Brasilien war in den ersten beiden Spielen sehr minimalistisch, hat 1:0, 2:0 gewonnen, aber nicht so, dass man hätte sagen können, dass man mit dieser Leistung ins Finale kommen. Ich denke, das Problem war, dass man vom Top-Favoriten gleich große Siege erwartet. Und wenn das nicht passiert, dann wird kritisiert, dass man nur ergebnisorientiert spielt. Gegen Japan haben wir vielleicht die richtigen Brasilianer gesehen. Hoffentlich spielt Brasilien so weiter.

Hauptfokus der Kritik war Ronaldo, der sehr schlecht in den ersten beiden Spielen gespielt hat. Jetzt hat er zwei Tore geschossen und teilt sich damit inzwischen mit Gerd Müller den Torschützen-Rekord der WM-Geschichte. Warum hält Parreira an Ronaldo fest?

WM 2006 - Brasilien - Spieler - Ronaldo
Ronaldo kann wieder lachenBild: AP

Im Spiel gegen Kroatien war Ronaldo ein Ausfall. Da hat Brasilien nur mir zehn gespielt. Gegen Australien war er etwas besser, aber noch nicht der Ronaldo, wie man ihn kennt. Hätte man ihn im dritten Match draußen gelassen, wäre es sehr schwierig geworden für ihn. Dann hätte der Ersatzspieler womöglich gut gespielt und noch ein Tor geschossen und die Presse hätte Ronaldo weiter massiv kritisiert. Parreira hat das Richtige gemacht, in der Hoffnung, dass Ronaldo wieder zu seiner alten Form der WM 2002 zurückfindet. Ich hoffe, Brasilien kommt ins Finale und Ronaldo gelingt es bis dahin. Die zwei Tore waren wichtig, nicht nur, um den Rekord von Gerd Müller zu knacken, sondern um den Druck auf ihn zu verringern.

Werden Brasiliens Ersatzspieler, die ein gutes Spiel gegen Japan geliefert haben, wieder auf die Bank gesetzt?

Mit Sicherheit. Die einzige Frage ist, ob Robinho im Team bleibt oder Adriano zurückkehrt. Die anderen – Gilberto, Gilberto Silva, Juninho e Cicinho – hatten ihre Chance, um zu zeigen, warum sie in der Seleção sind, aber sie kehren zurück auf die Bank. Bei der Seleção gibt es eigentlich nicht den so genannten Ersatzspieler. Jeder, der eingewechselt wird, hat die Fähigkeiten, Tore zu schießen und ein Spiel zu entscheiden.

Und Deutschland? Was sagen Sie zur Leistung der Gastgeber in der Vorrunde?

Ich bin sehr überrascht von dem, was sie zeigen. Bei den Vorbereitungsspielen hatten sie nicht gut abgeschnitten, die Abwehr wurde scharf kritisiert. Aber sie haben das überwunden und wachsen im Wettbewerb, von Spiel zu Spiel, mit der Unterstützung der Fans. Sie haben eine Mannschaft, die ins Finale kommen kann.

Kann Deutschland Argentinien aufhalten?

Wenn beide Teams ins Viertelfinale rücken, wird das ein exzellentes Spiel. Aber Argentinien ist ein sehr schwieriger Gegner. Sie haben ein Super-Team und ich denke, momentan ist es sehr schwierig, gegen Argentinien zu gewinnen.

Wie beurteilen Sie die afrikanische Beteiligung an der WM?

Schade, dass die Elfenbeinküste ausgeschieden ist. Unglücklicherweise war sie in einer sehr schwierigen Gruppe. Togo hat leider die einheimischen Probleme seines Fußballs mit nach Deutschland gebracht, was ein schlechtes Image hinterließ. Ghana ist weiter und trifft nun auf Brasilien. Das wird eine große Motivation für die Ghanaer sein, besonders für meinen Freud Samuel Kuffour, mit dem ich bei den Bayern gespielt habe. Diesmal werde ich aber die Daumen für Brasilien drücken und nicht für Ghana, wie ich es bei den Vorrundenspielen der Mannschaft aus Afrika getan habe.

Die Ghanaer sprechen davon, dass es das Spiel der "Brasilianer Afrikas gegen die wahren Brasilianer" sein wird. Wird es ein schwieriger Gegner für Brasilien?

Es ist ein Gegner, der viel Arbeit bereiten kann. Die Mehrheit der Spieler Ghanas ist in Europa tätig und kennt die brasilianischen Stars sehr gut. Umgekehrt kann man nicht sagen, dass die Brasilianer die Ghanaer sehr gut kennen. Das könnte ein Pluspunkt für die Afrikaner sein. Aber es werden Details sein, die das Spiel im Achtelfinale entscheiden. Ich hoffe, Brasilien kann den einen oder anderen Fehler der Ghanaer nutzen.

Wenn Sie in der Seleção wären, was würden Sie tun, um eine böse Überraschung zu vermeiden?

Ich denke, Brasilien sollte wie immer offensiv spielen. Ghana sollte sich um Brasilien Sorgen machen und nicht umgekehrt. Wir sollten versuchen, ein frühes Tor zu erzielen. Damit verschafft man sich ein bisschen mehr Respekt.

Sprechen wir über Portugal: Ist das eine Mannschaft, mit der man bei dieser WM weiter rechnen sollte?

Portugal hat eine Mannschaft, die ohne Problem das Viertel- oder Halbfinale erreichen kann. Sie spielt sehr gut und hat einen Trainer, der weiß, wie man ein Spiel im K.o.-System gewinnt. Portugal ist weiterhin ein Geheimfavorit.

Der Teamgeist-Ball, der Rasen und die Schiedsrichter stehen bei dieser WM in der Kritik.. Was sagt der Angreifer Élber zur Kritik der Torhüter am Flatterball?

WM 2006 - Ein Spielball Ball Fußball
Nicht unumstritten: ein Ball namens 'Teamgeist'Bild: picture-alliance / dpa

Bei der WM spielen alle mit dem gleichen Ball. Man hat einen speziellen Ball entworfen, aber nicht nach der Meinung der Spieler gefragt, die auf dem Rasen die Show geben sollen. Trotzdem ist das nicht entscheidend. Die Fans wollen Tore sehen. Und die Torhüter sollten auf jeden Ball und Rasen vorbereitet sein.

Beim Rasen ist es aber auffällig, dass sehr viele Spieler ausrutschen, egal wie die Witterung im Stadion ist.

Die Rasen in den deutschen Stadien, die ich aus der Bundesliga kenne, sind sehr gut und hatten nie diese Probleme, die bei der WM auftauchen. Es ist absurd, dass die Fifa darauf bestanden hat, den Rasen auswechseln zu lassen. Der neue Rasen kann innerhalb von vier Wochen nicht 100-prozentig bereit sein, um ein Spiel nach dem anderen zu ertragen. Deshalb passiert es, dass ständig Spieler ausrutschen und sich sogar verletzen. Das war eine Fehlentscheidung der Fifa.

Und die Kartenflut, die von den Schiedsrichtern ausgeht?

Die Schiedsrichter werden heutzutage sehr streng von den Medien beobachtet und bei jedem Fehler kritisiert. Tatsächlich haben einige von ihnen grobe Fehler bei der WM gemacht. Sie sind zu schnell beim Kartenzücken. Ich denke, wenn einem Schiedsrichter die Ruhe fehlt, um ein Spiel über die Runde zu bringen, ohne ständig Karten zu verteilen, kann er sogar eine WM entscheiden.