Gilligan bleibt bei seiner Aussage
13. August 2003Es steht Aussage gegen Aussage: Andrew Gilligan, der 34 Jahre alte renommierte Reporter des Rundfunksenders BBC, bekräftigte am Dienstag (12.8.2003) in seiner Vernehmung die Aussage seines Rundfunkbeitrags vom 29. Mai, wonach die britische Regierung ein Geheimdienstdossier aufgebauscht haben soll, um den Angriff auf den Irak zu rechtfertigen. Als Urheber habe ihm Biowaffenexperte David Kelly den Kommunikationschef von Premierminister Tony Blair, Alistair Campbell, benannt, erklärte Gilligan. Der Journalist erhob damit schwere Vorwürfe gegen Campbell.
Kelly war von der Manipulation überzeugt
Bei seiner Vernehmung durch Lordrichter Brian Hutton in London zitierte Gilligan aus Notizen, die er sich während eines Gespräches mit Kelly am 22. Mai gemacht hatte. Kelly habe ihm gesagt, dass die Behauptung der britischen Regierung, wonach der Irak innerhalb von einer Dreiviertelstunde Massenvernichtungswaffen einsetzen könne, nur auf "einer einzigen Quelle“ basiere und deshalb nicht zuverlässig sei. Kelly habe ihm bei dem Gespräch weiter gesagt, dass die Regierungsakte zum Irak mit der umstrittenen Zeitangabe "eine Woche vor ihrer Veröffentlichung abgeändert“ worden sei.
Hinweis auf Campbell von Kelly
Kelly zufolge seien fast alle Angaben in dem umstrittenen Regierungsdossier auf zwei Quellen zurückzuführen gewesen, nur die Behauptung über die Einsatzbereitschaft binnen 45 Minuten sei lediglich durch eine einzige Quelle gedeckt gewesen. Gilligan betonte, nicht er, sondern Kelly habe den Namen von Kommunikationschef Alastair Campbell in das gemeinsame Gespräch eingebracht. Als er später zwei weitere Informanten gefragt habe, ob die umstrittene Behauptung auf Initiative von Campbell eingefügt worden sei, hätten diese dies weder bestätigen noch dementieren können, fügte der Journalist hinzu. Sie hätten ihm aber geraten, die Sache weiter zu verfolgen.
Was hat die Blair-Regierung gewusst?
Der Cambridge-Absolvent Gilligan ist eine der Schlüsselfiguren in der Kelly-Affäre. Er hatte bereits Ende Mai berichtet, ein „ranghoher Regierungsbeamter“ habe ihm verraten, die britische Regierung habe Geheimdienstinformationen über irakische Massenvernichtungswaffen so aufgebauscht, dass die Öffentlichkeit einen Krieg als notwendig einstufen sollte. Die Regierung kam schnell zu dem Schluss, David Kelly müsse die zitierte Quelle gewesen sein. Nachdem der Wissenschaftler vor drei Wochen mit aufgeschnittenen Pulsadern tot aufgefunden worden war, bestätigte Gilligan dann öffentlich, Kelly sei sein Hauptinformant gewesen. Tony Blair geriet in der Folge unter heftigen innenpolitischen Druck, seine Regierung konnte sich bis heute nicht vom Vorwurf der fingierten Informationspolitik befreien. Zudem wird ihr vorgeworfen, Kelly in den Selbstmord getrieben zu haben, weil er das Vorgehen der Regierung im Irak-Krieg kritisiert hatte.
Unbequeme Wahrheiten zu Tage gefördert
Schon vor der Kelly-Affäre war Downing Street auf den unbequemen Reporter aufmerksam geworden. Für die BBC-Sendung "Today“ gab Gilligan sich als Interessent für den Kauf von Landminen aus, um zu enthüllen, wie leicht das 1998 erlassene Vertriebsverbot in Großbritannien untergraben werden kann. Einen anderen "Scoop“ landete der gebürtige Londoner, als er herausfand, dass ein Jagdbomber der königlichen Luftwaffe nicht einmal in der Lage ist, Präzisionsmunition abzuwerfen. Auch im April kam ein Gilligan-Bericht der Regierung ziemlich ungelegen: Die Iraker hätten nach dem Sturz Saddam Husseins "größere Angst als je zuvor“, berichtete der Reporter damals aus dem Irak.
Journalist mit Talent und Gespür
Die BBC verpflichtete den Reporter mit dem Gespür für Sensationsgeschichten 1999, um von dessen offensichtlichem Talent für heikle Recherchen zu profitieren. Die offensive Herangehensweise war bei der BBC, besonders in der Redaktion der Morgensendung "Today“, ein Novum. Gilligan hatte sich vor seinem Wechsel zur BBC als Experte in Sachen Militär und Diplomatie hervorgetan. Zunächst arbeitete er für die "Cambridge Evening News“, dann für den "Sunday Telegraph“. Insgesamt berichtete er aus mehr als 40 Ländern der Erde, vorzugsweise aus Krisengebieten. (dk)