Gewerkschaften profitieren von der Krise nicht
29. April 2010Am Samstag (01.05.2010) wird eine Tradition 120 Jahre alt, die in vielen Ländern der Welt verbreitet ist: Der erste Tag im Mai gehört den Arbeitern und den abhängig beschäftigten Menschen. Am 14. Juli 1889 beschloss ein Internationaler Arbeiterkongress in Paris, dass an einem bestimmten Tag die Arbeiter auf die Straße gehen sollten, um den Acht-Stunden-Tag zu fordern. Und weil der amerikanische Arbeiterbund schon eine solche Kundgebung für den 1. Mai 1890 beschlossen hatte, blieb es bei diesem Datum.
Seitdem gilt der 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung – der freilich schnell seine Unschuld verlor: In Deutschland erklärten die Nationalsozialisten den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag und nutzten ihn zu Massenaufmärschen und Propaganda, während die Gewerkschafter in Gefängnissen und Konzentrationslagern verschwanden. Und auch die Staaten des Ostblocks hatten den Tag der Arbeit pervertiert: Er diente zu Aufmärschen mit Stechschritt, Panzern und Raketen, während die Gewerkschaften zu bloßen Anhängseln von Staat und Partei degenerierten.
Wir gehen vor!
Und heute? Zum 1. Mai 2010 hat der Deutsche Gewerkschaftsbund die Losung ausgegeben: "Wir gehen vor!". Das Thema Krisenbewältigung soll im Mittelpunkt der Kundgebungen stehen, denn "die Krise ist noch nicht vorbei", heißt es im Aufruf des DGB. Gewerkschaften und Betriebsräte hätten maßgeblich dazu beigetragen, den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Zaum zu halten. Gewerkschafter hätten für Kurzarbeit, Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, für Konjunkturprogramme und die Abwrackprämie gekämpft - nun komme es darauf an, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen zu stabilisieren. Die Verursacher der Krise müssten für die Finanzierung der Krisenlasten gerade stehen und für mehr Beschäftigung, Bildung und soziale Sicherheit in die Pflicht genommen werden, heißt es im Aufruf zum 1. Mai.
Allerdings werden diese Forderungen von einer immer kleiner werdenden Basis von Mitgliedern vertreten. Den Gewerkschaften geht es wie den Kirchen und den Sportvereinen: Die Mitglieder laufen weg, der Nachwuchs fehlt, und die Frauen sind unterrepräsentiert. 1990, als sich der damalige ostdeutsche "Freie Deutsche Gewerkschaftsbund" (FDGB) auflöste und sich dem DGB anschloss, zählte der Dachverband der deutschen Gewerkschaften elf Millionen Mitglieder. 2001 waren es noch knapp 7,8 Millionen, im vergangenen Jahr nur noch 6,3 Millionen.
Kein Zulauf in der Krise
Und auch bislang ist nicht erkennbar, dass die Krise den Gewerkschaften neuen Zulauf gebracht hat. Die Krise hat nur bewirkt, dass ihnen die Einnahmen wegbrechen. Auch wenn in der Wirtschaftskrise die Unternehmen vergleichsweise wenige Mitarbeiter entlassen haben, leiden die Kassen der Gewerkschaften. Weil durch die Kurzarbeit die Beiträge der Mitglieder sinken, rechnet die IG Metall zum Beispiel mit ihren 2,3 Millionen Mitgliedern mit einem Rückgang der Einnahmen im laufenden Jahr von 441 auf 428 Millionen Euro. IG-Metall-Chef Berthold Huber verschweigt auch die Schwachstellen seiner Gewerkschaft nicht: In neuen Boombranchen wie der Solarindustrie hat die IG Metall noch keinen Fuß drin, bei Entwicklern und Ingenieuren ist sie schwach vertreten.
Trotzdem wollen der DGB und seine acht Mitgliedsgewerkschaften jeden Versuch bekämpfen, aus der Krise Kapital zu schlagen. Sie haben sich den Kampf gegen Dumpinglöhne und Prekäre Beschäftigung auf die Fahnen geschrieben, und die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen steht weiterhin ganz oben an. Denn, so heißt es im DGB-Aufruf: "Eine Regierung, die Niedriglöhne duldet, verzichtet nicht nur auf Steuereinnahmen. Sie subventioniert Unternehmen unnötigerweise mit Steuermitteln und beschädigt die Würde der Arbeit."
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Monika Lohmüller