Gewalt überschattet Wahl in Sri Lanka
16. November 2019Die Wahllokale sind geschlossen, jetzt werden Stimmen gezählt: In wenigen Stunden hat Sri Lanka einen neuen Präsidenten. Die knapp 16 Millionen Wahlberechtigten konnten sich zwischen 35 Bewerbern entscheiden.
Beobachter rechnen mit einem engen Rennen zwischen Sajith Premadasa von der Regierungspartei UNP und dem oppositionellen Gotabhaya Rajapaksa. Dessen Bruder Mahinda hatte das Land bis 2015 mit eiserner Hand regiert.
Angriff auf Bus-Konvoi
Für die Absicherung des Wahlgangs in dem südasiatischen Inselstaat wurden etwa 85.000 Polizisten mobilisiert. Trotzdem kam es zu gewalttätigen Zwischenfällen.
Ein Bus-Konvoi mit Wählern der muslimischen Minderheit wurde nach Polizeiangaben beschossen und mit Steinen beworfen. Auch auf der hauptsächlich von Tamilen bewohnten nördlichen Halbinsel Jaffna kam es zu Übergriffen. Die Polizei nahm dort zehn Männer fest, die verdächtigt wurden, "während der Wahl Ärger zu machen", wie ein Polizeisprecher sagte.
Mit solchen Zwischenfällen sollten die tamilischen und muslimischen Minderheiten offenbar - wie schon bei früheren Wahlgängen - von der Stimmabgabe abgehalten werden. Ein Vertreter der Wahlbehörde räumte Versäumnisse beim Schutz der Minderheiten ein. Die Muslime hätten um Wahllokale an ihren Wohnorten gebeten, um keine langen Strecken zu den Orten zurücklegen zu müssen, in denen sie registriert sind. "Sie waren sich sicher, dass es zu solchen Störungen kommen würde", erklärte er.
Beobachter gehen davon aus, dass Gotabhaya Rajapaksa bei einem Wahlsieg seinen Bruder - den umstrittenen Ex-Präsident - als Regierungschef einsetzen könnte. Vor allem die buddhistische Mehrheit der Singhalesen hält Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa zugute, den jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit der überwiegend hinduistischen Minderheit der Tamilen 2009 beendet zu haben. Bei der letzten Militäroffensive gegen die Rebellengruppe LTTE töteten Regierungstruppen im Norden des Landes mindestens 40.000 tamilische Zivilisten.
Auch die muslimische Minderheit in dem südasiatischen Inselstaat, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht, fürchtet sich vor einer Rückkehr des Ex-Präsidenten. Nach den mutmaßlich islamistisch motivierten Attacken auf Kirchen und Hotels im April mit 269 Toten haben die Spannungen zwischen buddhistischen Singhalesen und Muslimen zugenommen.
Sajith Premadasa steht bei den Minderheiten nicht im selben Maße wie sein Konkurrent unter dem Verdacht, dass er deren Interessen missachten würde. Doch ihm wird vorgeworfen, dass er einer Regierung angehört, die die Terroranschläge von Ostern 2018 nicht verhindert hat - und zwar trotz Warnungen von Seiten des Muslim Council vor der islamistischen Gruppe National Thowheed Jamath.
mir/rb (afp, dpa, ap)