Gewalt und Festnahmen in Belarus
25. Oktober 2020Nach einem weitgehend friedlichem Verlauf setzte die Polizei am Abend in Minsk Blend- und Lärmgranaten gegen Demonstranten ein. Augenzeugen berichteten über den Messaging-Dienst Telegram von mehreren Verletzten. Das Innenministerium bestätigte den Einsatz von "Spezialmitteln" gegen "gewaltbereite Demonstranten". Sie sollen zuvor eine Absperrung durchbrochen haben. Auf Videos waren Schuss- und Explosionsgeräusche zu hören sowie Blitzlichtgewitter zu sehen.
Das Menschenrechtszentrum Wesna berichtete von rund 100 Festnahmen in verschiedenen Städten des Landes, in denen es ebenfalls Proteste gab. In Minsk strömten die Menschen aus verschiedenen Richtungen im Zentrum zur "Stele", einem Platz zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. "Lang lebe Belarus!", skandierten sie dabei. Viele trugen die historische weiß-rot-weiße Fahne, wie das oppositionelle Internetportal Strana dlja Schisni (Ein Land zum Leben) zeigte.
Vereint werden die aus verschiedenen Schichten stammenden Demonstranten in ihrer Abneigung gegen "Europas letzten Diktator", wie Präsident Alexander Lukaschenko von seinen Kritikern genannt wird. Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August kommt es in der ehemaligen Sowjetrepublik zu Protesten, weil sich Lukaschenko nach 26 Jahren an der Macht mit rund 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Vor allem sonntags – mittlerweile zum elften Mal in Folge – kann die Oppositionsbewegung die Bevölkerung mobilisieren.
Aufruf zum Generalstreik
Dieser Sonntag sei jedoch ein besonderer, sagte die im Exil lebende Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja in einer Live-Schalte auf Strana dlja Schisni. Am Ende des Tages laufe das "Volks-Ultimatum" an Lukaschenko aus. Verbunden damit sei die Freilassung aller politischen Gefangenen, der Rücktritt Lukaschenkos sowie Neuwahlen. Zwar sind inzwischen einige Oppositionelle aus dem Gefängnis entlassen worden. Ein weiteres Entgegenkommen seitens der Regierung zeichnet sich jedoch nicht ab.
Tichanowskaja rief deshalb mit Nachdruck dazu auf, sich an diesem Montag an einem landesweiten Generalstreik zu beteiligen oder einfach zu Hause zu bleiben. "Der Weg wird nicht leicht sein", erklärte sie. Der Kampf gegen Lukaschenko brauche Kraft und Ausdauer.
Unerwartete Unterstützung gab es inzwischen auch aus den USA. Kurz vor Beginn der Sonntagsdemonstration haben US-Außenminister Mike Pompeo und Lukaschenko in einem rund anderthalbstündigen Telefonat über die Lage in Belarus gesprochen. Dabei soll Pompeo Sympathien für die demokratischen Bestrebungen des belarussischen Volkes bekundet haben. Lukaschenko wiederum habe den US-Minister über einen nationalen Dialog für eine Beilegung der Krise informiert.
djo/hf (dpa, afpe)