Ebola: Mit Waffengewalt gegen die Medizin
18. Mai 2019Wegen anhaltender Angriffe auf Helfer und Behandlungszentren hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer Ausbreitung der Ebola-Epidemie im Osten Kongos gewarnt. Sollten die Milizen ihre Angriffe nicht einstellen, sei es unwahrscheinlich, dass der Ausbruch des hämorrhagischen Fiebers auf die beiden Provinzen Nordkivu und Ituri beschränkt werden könne, warnte die Organisation. Die Provinzen liegen unweit der Grenzen zu Ruanda und Uganda.
In der Region, in der zahlreiche bewaffnete Gruppen aktiv sind, hätten sich bereits über 1600 Menschen mit Ebola infiziert. Trotz eines großen Hilfseinsatzes habe die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle zuletzt zugenommen: 1147 seien bereits an der Krankheit gestorben, heißt es im letzten Update der WHO am 16. Mai 2019. 68 Prozent der Todesfälle seien außerhalb der Ebola-Transitzentren zu verzeichnen, die die WHO in der Region eingerichtet habe. Angriffe auf Helfer beziehungsweise auf Transitzentren, in denen Ebola-Verdachtsfälle untersucht werden, oder Behandlungszentren würden die Arbeit der Ärzte erheblich erschweren.
"Wir arbeiten zwei Tage, und schon erfolgt ein neuer Angriff und die Mitarbeiter der Ebola-Einsatzteams müssen fünf Tage zu Hause bleiben. In der Zwischenzeit müssen wir unserem Hauptfeind, also dem Ebola-Virus, das Feld überlassen", sagt Dr. Aruna Abedi, Ebola-Koordinator des kongolesischen Gesundheitsministeriums, im DW-Interview. Der Kampf gegen Ebola werde zunehmend zu einem ungleichen Kampf: "Wenn wir fünf Tage nicht arbeiten können, ist das Virus im Vorteil. Die Krankheit enteilt uns und wir müssen die verlorene Zeit wieder einholen. Ein sehr zäher Kampf."
Angriffe auf Hilfsteams
Erst kürzlich war im Ort Katwa im Nordkivu, nahe der ugandischen Grenze, ein Transitzentrum in Brand gesteckt worden. Im April war bei einem Angriff ein WHO-Arzt getötet worden. Die Drahtzieher der Angriffe blieben meist unklar. Mehrfach wurden lokale Milizen für die Angriffe verantwortlich gemacht. Nach solchen Vorfällen wird der Hilfseinsatz zumeist zeitweise ausgesetzt, um die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. In dieser Zeit steigt die Zahl der Neuerkrankungen wieder an.
Dr. Babou Rukengeza ist Teamleiter von "Save the Children", einer Hilfsorganisation, die im Nordkivu im Einsatz ist. Im DW-Interview berichtet der Arzt von dauernden Demonstrationen und Ausschreitungen, vor allem in der Stadt Beni, die ein erhebliches Problem darstellen würden. "Durch diese Unruhen kommt es immer wieder zu Behinderungen unserer Arbeit und zu Verzögerungen", so Rukengeza. Bei solchen Zuständen verwundere es nicht, dass die Fälle von Ebola in der Region weiter anstiegen. "Dabei könnten wir das Ebola-Problem gut in den Griff bekommen, wenn man uns nur vernünftig arbeiten lassen würde", zeigt sich der Arzt sicher.
Um den Ausbruch einzudämmen, haben in der Region bereits gut 110 000 Menschen einen experimentellen Ebola-Impfstoff erhalten. Die WHO empfahl eine Ausweitung der Impfkampagne.
Aberglaube schlägt Schulmedizin
Doch die staatlichen Gesundheitsdienste im Osten Kongos haben mit einem schwerwiegenden Problem zu tun: Viele Menschen misstrauen den Ärzten und Hilfsteams und der Regierung. Und sie misstrauen den Medikamenten. Offenbar werden absichtlich Falschinformationen verbreitet: So gibt es Menschen, die behaupten, die Medikamente, die in den Transitzentren verabreicht würden, würden unfruchtbar machen oder gar töten. Ärzte und Hilfsorganisationen seien nur Eindringlinge, die mit Ebola Geld machen wollten. Andere wiederum zweifeln grundsätzlich an, dass es die Krankheit überhaupt gibt. Sie sei erfunden. Oder es handele sich um Dämonen, die von außerhalb in die Region hereingetragen würden.
"Viele Leute schenken Falschinformationen viel schneller Glauben als korrekten Informationen. Und das hat Folgen", sagt Ebola-Koordinator Aruna Abedi. Er weist darauf hin, dass selbst Politiker sich auf falsche Informationen gestützt hätten, um zu behaupten, Ebola existiere nicht. "Sie sagen auch andere Dinge, etwa, dass alles nur ausgedacht sei. Manchmal heißt es, jemand wäre vergiftet worden, dann wieder ist die Rede von Zauberei, oder es werden wieder andere Gründe angeführt. Dabei ist die Krankheit real, sie tötet weiterhin Menschen und breitet sich unter der Bevölkerung weiter aus."
Ein anderes großes Problem schildert Abedi so: Die Leichen seien hoch ansteckend - und dennoch ließen sich die Familienangehörigen nur schwer davon abbringen, sie anzufassen, ein Verhalten, das eine hohe Ansteckungsgefahr berge. "Wir rufen immer wieder dazu auf, Hygienemaßnahmen zu befolgen, Kranke mit Symptomen zu melden und Tote nicht anzufassen. Aber die Menschen akzeptieren das nur schwer. Mit dem Leugnen der Krankheit geht eine große Gefahr einher. Es heißt in einem Sprichwort: Das Volk wird an der Ignoranz zugrunde gehen. Deshalb versuchen wir, diese Ignoranz unter der Bevölkerung zu bekämpfen."
Traditionelle Anführer sollen eingebunden werden
Die im Krisengebiet eingesetzten medizinischen Teams wollen jetzt verstärkt die traditionellen Oberhäupter in den Kampf gegen Ebola einbeziehen. König Mfumu Difima, einer der prominentesten traditionellen Monarchen der DR Kongo, betont im Gespräch mit der DW, dass es sehr schwierig sei, die Vorurteile zu bekämpfen: "Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die Menschen davon zu überzeugen, sich in den offiziellen Behandlungszentren behandeln zu lassen. Wir sagen den Menschen auch, dass sie den Behörden alle Krankheitsfälle melden sollen, aber wir kämpfen gegen große Widerstände."
Immer wieder werde Menschen nahegelegt, sich bei Ebola-Infektionen nicht den offiziellen Gesundheitsdiensten anzuvertrauen, sondern vielmehr traditionellen Medizinern, die nicht selten Scharlatane seien, so König Mfumu Difima. Gerade in den betroffenen Regionen seien außerdem viele politischen Rattenfänger unterwegs gewesen, die den Menschen weisgemacht hätten, Ebola sei bloß ein Vorwand, um die Wahlen vom 30. Dezember 2018 zu verschieben - ein Trick, um die Menschen an der Ausübung ihres Wahlrechts zu hindern. Tatsächlich verkündete die Wahlkommission nur vier Tage vor der wichtigen Abstimmung, diese in den Wahlkreisen Beni und Butembo und im Umland von Beni wegen der Epidemie auszusetzen. Sie wurde dort am 31. März nachgeholt - zu einem Zeitpunkt, als der neu gewählte Präsident schon lange im Amt war.
Der Ausbruch hatte im vergangenen August begonnen und ist der folgenschwerste seit der verheerenden Ebola-Epidemie in Westafrika 2014/2015. Damals kamen rund 11.000 Menschen ums Leben. Für die Demokratische Republik Kongo ist es bereits die zehnte bekannte Ebola-Epidemie. Die bisherigen Ausbrüche betrafen jedoch friedliche Regionen und konnten relativ zügig eingedämmt werden.
Mitarbeit: John Kanyunyu (in Beni), Wendy Bashi