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Gewalt in Kundus als Gefahr für Nachbarländer

Mikhail Bushuev30. September 2015

Der Erfolg der Taliban in der afghanischen Stadt Kundus könnte auch schwerwiegende Folgen für die Nachbarländer haben. Besonders heikel ist die Sicherheitslage im benachbarten Tadschikistan.

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Tadschikische Soldaten nach den bewaffneten Auseinandersetzungen Anfang September (Foto: DW)
In Tadschikistan ist es Anfang September zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommenBild: DW/G. Faskhutdinow

Es ist der größte Erfolg der Taliban seit 2001: Darüber sind sich internationale Beobachter einig. Sie legen den Angriff auf Kundus als eindeutiges Zeichen der Stärke der islamistischen Rebellen aus. Die afghanischen Streitkräfte haben seit Montag die Stadt Kundus im Norden des Landes den Guerillatruppen der Taliban überlassen und können sie bislang nicht zurückerobern.

Schlüsselrolle von Kundus

Kundus mit seinen 300.000 Einwohnern ist nicht nur für Afghanistan von strategischer Bedeutung. Wer diese Stadt kontrolliert, kann in weitere Gebiete Nordafghanistans eindringen. In der Nachbarprovinz Takhar werden bereits vermehrt Angriffe auf Polizei- und Armeestandorte registriert. Außerdem liegt Kundus an der wichtigen Straße von Kabul in die nördlichen Nachbarstaaten. "Die Kontrolle der Taliban über einen solchen Verkehrsknotenpunkt stellt eine signifikante Unterbrechung in der Logistik der afghanischen Streitkräfte dar und ermöglicht den Taliban außerdem einen direkten Zugang zu Schmuggel-Routen nach Tadschikistan und Usbekistan", sagte Jason Campbell, Sicherheits-Experte der Denkfabrik RAND Corporation, im DW-Gespräch.

Instabilität im Nachbarstaat

Von Kundus aus sind es nur etwa 70 Kilometer bis zur Grenze nach Tadschikistan. Die afghanische Stadt spielte schon in den 1990er Jahren eine wichtige Rolle im tadschikischen Bürgerkrieg, in dem fast 150.000 Menschen getötet wurden - sogar noch mehr als im Krieg in Afghanistan seit 2001. Kundus war der wichtigste Rückzugsort der tadschikischen islamischen Opposition. Und die Stadt könnte wieder dazu werden, sollte sich die Lage in Tadschikistan verschärfen. Denn die ist heute alles andere als stabil.

Afghanische Flüchtlinge in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe (Foto: DW)
Afghanische Flüchtlinge in der tadschikischen Hauptstadt DuschanbeBild: DW/G. Faskhutdinow

Am 29. September hat das Oberste Gericht Tadschikistans die "Partei der islamischen Wiedergeburt" verboten. Dem Urteil gingen Verhaftungen von Dutzenden wichtigen Parteimitgliedern voraus. Der Parteivorsitzende Muhiddin Kabiri hatte sich noch im Frühjahr in die Türkei abgesetzt. Die islamische Partei gilt als gemäßigt und war das wichtigste Sprachrohr der Opposition. Nun wurde sie aus dem öffentlichen Raum verbannt, was zu einer Entwicklung der lokalen Machtstrukturen hin zu einem Autoritarismus im Stile Turkmenistans führe, sagt der russische Politologe und Zentralasien-Experte Andrej Serenko.

Doch das autoritäre Machtmodell in Tadschikistan zeichnet sich durch wiederkehrende Gewaltexzesse aus. Anfang September lieferte sich das Regime des seit über 20 Jahren allein herrschenden Präsidenten Emomali Rachmon einen mehrtägigen bewaffneten Kampf mit dem geflüchteten Vizeverteidigungsminister Abduchalim Nasarsoda.

Im Mai flüchtete ein anderer ranghoher tadschikischer Offizier nach Syrien, um an der Seite der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu kämpfen. Außerdem wurden 2015 mehrere Oppositionspolitiker zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Land gehört nach wie vor zu den ärmsten der Welt. Durch die Wirtschaftskrise in Russland ist die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit in Tadschikistan weiter angestiegen, denn: Viele Arbeitsmigranten sind aus Russland in ihr Heimatland zurückgekehrt und drängen auf den tadschikischen Arbeitsmarkt.

Wer kontrolliert die Grenze?

Erschwerend kommt hinzu, dass die afghanisch-tadschikische Grenze möglicherweise gar nicht dicht ist. Zumindest haben am 24. September Mitglieder der Organisation "Islamische Jihad Union" (IJU, in Deutschland bekannt durch die sogenannte Sauerland-Gruppe) auf ihrer Webseite erklärt, sie kontrollierten weite Teile der Grenze. Als Beweis posteten sie Fotos von sich, auf denen sie den Fluss Amu-Darja an der afghanisch-tadschikischen Grenze überqueren - und dabei ihre Waffen mitnehmen.

Aus anderen Quellen konnte diese Aussagen zwar nicht verifiziert werden. Doch es ist bekannt, dass aus Zentralasien stammende terroristische Vereinigungen, wie die IJU oder die "Islamische Bewegung Usbekistans", starke Positionen um die Stadt Kundus herum aufgebaut haben, sagte Michael Kugelman, Afghanistan-Experte beim Woodrow Wilson International Center for Scholars. Der pakistanische Politik-Experte Ahmed Rashid geht sogar davon aus, dass bis zu 5.000 bewaffnete Männer aus Zentralasien in Nordafghanistan an der Seite der Taliban kämpfen.