Gewalt aus Verzweiflung gefährdet Hilfe
12. November 2013"Wir brauchen Essen!", "Rettet uns!" oder einfach nur "Hilfe": Verzweifelt versuchen die Überlebenden der Taifun-Katastrophe auf den Philippinen auf ihre immer schlimmer werdende Lage aufmerksam zu machen. Sie schreiben ihre Appelle auf Hauswände oder Straßen. So groß, dass sie auch aus der Luft zu erkennen sind. Fünf Tage nach dem verheerenden Sturm sind sämtliche im Vorfeld gebunkerten Notrationen aufgebraucht. Die Menschen benötigen dringend sauberes Trinkwasser und etwas zu essen. Die Helfer aus aller Welt ihrerseits versuchen alles, um so schnell wie möglich mit Nahrungsmittelpaketen und Decken, mit Tabletten zur Wasseraufbereitung oder mit Medikamenten bis in die am stärksten betroffenen Gebiete vorzudringen.
Doch aufgrund der massiven Zerstörungen und des extrem schwierigen Terrains auf den verschiedenen Inseln wird jeder Weg quälend lang. Noch längst nicht überall ist es den internationalen Hilfsorganisationen gelungen, mit ihren Lieferungen zum Ziel durchzudringen. "Wir stehen vor großen Herausforderungen, was die Infrastruktur und die Kommunikation betrifft", erklärt Soaade Messoudi, Sprecherin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) in Manila gegenüber der Deutschen Welle. In Absprache mit anderen Bereichen innerhalb der Rot-Kreuz-Bewegung - beispielsweise mit dem Roten Halbmond - konzentriert das ICRC seine Hilfsbemühungen auf die Insel Samar, wo der Taifun am vergangenen Freitag (8.11.2013) auf Land traf.
Abgelegene Regionen noch unerreicht
In manchen Regionen ist die Lage noch verzweifelter. Noch nicht einmal Erkundungsteams sind in die Katastrophengebiete der westlichen Inseln Panay oder Bantayan vorgedrungen. Erkundungsteams versuchen im Vorfeld herauszufinden, wie viele Menschen betroffen sind, welche Mengen an Hilfsgütern gebraucht werden, damit die Hilfe besser koordiniert werden kann, wie Hanni Walter von der Johanniter-Auslandshilfe erklärt. "Unsere Teams versuchen in Regionen vorzudringen, die bisher noch keinerlei Hilfsleistungen erhalten haben bzw. wo es überhaupt noch keinen Kontakt gegeben hat."
Allerdings ist der Kontakt mit dem Team auf Panay abgebrochen. Seit Montag (11.11.2013) herrscht Funkstille. "Das Handy ist das einzige, was momentan ab und zu funktioniert. Mir wurde berichtet, dass es bestimmte Plätze gibt, an denen eine Handykommunikation möglich ist. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Stunden einen Kontakt hergestellt haben."
Gefahr auch für die Helfer
Aber selbst wenn die Erkundungsteams Erfolg hatten, ist es schwierig, die Hilfsgüter ans Ziel zu bringen. Elf Trucks des Roten Kreuzes seien derzeit unterwegs in die besonders schwer betroffene Stadt Tacloban, so Messoudi. Zusätzlich zu den logistischen Schwierigkeiten beim Transport sind die Helfer dabei mehr und mehr mit einem weiteren Problem konfrontiert - das sich quasi stündlich verschärft. Denn mit zunehmendem Hunger und Durst wachsen unter der notleidenden Bevölkerung auch Verzweiflung und Gewaltbereitschaft. ICRC-Sprecherin Messoudi bestätigt die Meldungen über Plünderungen von Supermärkten und Geschäften. Und nicht nur das. "Wir haben gehört, dass Trucks des ICRC angegriffen worden sein sollen." Eine Bestätigung dafür gibt es aber noch nicht. Dennoch: Die Angst um die eigenen Mitarbeiter wächst, so Messoudi. "Ja, diese Sorge haben wir mittlerweile. Zusätzlich zu allen anderen Problemen wie Kommunikation und Infrastruktur müssen wir uns auch darum kümmern, dass die Sicherheit unserer Leute gewährleistet ist, und dass die Hilfslieferungen bei den Menschen ankommen, ohne dass dabei Chaos entsteht." Die angespannte Sicherheitslage bestätigt auch Hanni Walter von der Johanniter-Auslandshilfe. Das Erkundungsteam auf Leyte steckt momentan fest: "Es gibt Plünderungen und Anarchie. Die Sicherheit ist also nicht gewährleistet." Um die Mitarbeiter zu schützen sei man auf die Regierung angewiesen. "Wenn die Regierung davon abrät, in eine Region zu fahren, dann halten wir uns natürlich daran."
Insgesamt sei die Lage auch fünf Tage nach dem Taifun noch weitgehend unüberschaubar, so Messoudi. Es sei noch viel zu früh, Schätzungen über die Zahl der Opfer oder der Vermissten abzugeben. Auch sehe es auf den anderen Inseln, über die Haiyan hinwegfegte, vermutlich ebenso schlimm aus wie auf Samar oder Leyte. "Wir haben von der westlichsten Insel Palawan gehört, dass besonders der Norden stark betroffen ist", berichtet Soaade Messoudi.
Je mehr sich das Bild der Katastrophe vervollständigt, desto klarer wird ihr verheerendes Ausmaß. Die Verteilung der Hilfsgüter entwickelt sich mehr und mehr zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Durch Hunger, Durst und Seuchen könnten die Opferzahlen dramatisch steigen.