Gesunkenes Flüchtlingsboot vom Meeresgrund geborgen
29. Juni 2016Mehr als ein Jahr nach einer der verheerendsten Flüchtlingstragödien holten Suchmannschaften der italienischen Marine die Überreste des Schiffs, das mit mehr als 700 Menschen an Bord vor der Küste Libyens kenterte, vom Meeresgrund. Es sei ein schwieriger Einsatz in fast 400 Metern Tiefe gewesen, teilte die Marine mit. Eine große gelbe rechteckige Vorrichtung und zusätzliche Stützfüße am Rumpf sorgten für die notwendige Stabilität, um das Wrack an die Meeresoberfläche zu bringen und anschließend abzuschleppen.
Werden Tote identifiziert?
Das Wrack ist nun auf einem Frachtschiff in einem speziellen Kühlcontainer eingeschlossen und auf dem Weg nach Sizilien. Im Hafen von Augusta soll es in ein gekühltes Zelt - 30 Meter lang, 20 Meter breit und zehn Meter hoch - gebracht werden. Die menschlichen Überreste werden in einer kühlbaren Transportvorrichtung aufbewahrt. Forensikexperten sollen mit Unterstützung von Angehörigen versuchen, die Toten zu identifizieren, die anschließend beerdigt werden sollen.
Im April 2015 war ein Handelsschiff dem in Libyen gestarteten überfüllten Boot der Flüchtlinge im Dunkeln zur Hilfe gekommen. Doch der Kapitän des Flüchtlingsboots lenkte es gegen den Frachter. Unter den Flüchtlingen brach Panik aus, ihr Schiff kenterte. Nur 28 Menschen überlebten. Einige von ihnen sagten, an Bord hätten sich etwa 800 oder sogar mehr Menschen befunden. Nach dem Unglück wurden 50 Tote von der italienischen Marine geborgen. Später holten Suchmannschaften weitere 171 Todesopfer aus dem Umfeld des Wracks, das 130 Kilometer von der libyschen Küste entfernt auf Grund gegangen war. Viele Menschen sollen zwischen den Schiffsdecks eingeklemmt gewesen sein. Schätzungsweise könnten noch 600 Tote an Bord sein.
Renzi wollte die Bergung
Während auf dem Mittelmeer Hunderte Menschen gerettet werden konnten, bleibt unklar, wie viele Menschen täglich ihr Leben während ihrer riskanten Flucht über das Mittelmeer verlieren. Allein innerhalb von drei Tagen im Mai starben nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) schätzungsweise 700 Menschen an Bord von überfüllten Schiffen, die kenterten.
Laut UNHCR sind seit dem 19. April 2015 bis heute 4927 Menschen umgekommen, als sie das Mittelmeer Richtung Europa überqueren wollten. Die meisten gekenterten Boote werden nicht geborgen, die Toten nicht identifiziert. Nach dem Unglück 2015 versprach Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, sich persönlich für die Bergung des Schiffes einzusetzen. Zudem soll auch ein europäisches Netzwerk zur Identifizierung der verstorbenen Flüchtlinge geschaffen werden.
pab/kle (afp, ap, dpa)