Gesundheitswesen in Afghanistan vor Kollaps
27. August 2021Nach den Anschlägen am Flughafen von Kabul und kurz vor Ende der Evakuierungen wird die humanitäre Lage in Afghanistan immer verzweifelter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Rick Brennan, der regionale Notfalldirektor wies darauf hin, dass die Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Geräten nur noch für ein paar Tage reiche.
Lieferungen über den Flughafen der Hauptstadt Kabul seien nicht möglich, sagte Brennan. Das Chaos und die Gewalt erlaubten das nicht. Die WHO versuche nun, Transporte über den Flughafen in Masar-i Scharif im Norden des Landes abzuwickeln. Als Lichtblick bezeichnete er die Tatsache, dass 97 Prozent der rund 2200 Gesundheitseinrichtungen, die die WHO unterstützt, weiter funktionierten. Allerdings blieben den Kliniken hier und da sowohl Frauen und Kinder als Patienten als auch weibliches Personal fern. Nach ersten Eindrücken gehe das auf Angst und Vorsicht der Frauen zurück. Unter den Evakuierten und Geflüchteten sei zudem auch Gesundheitspersonal, sagte Brennan. Der Verlust von Fachkräften sei ein enormes Problem.
UNICEF besorgt über Situation von Kindern
Die Kinderhilfsorganisation UNICEF forderte angesichts der Ereignisse einen besseren Schutz von Kindern. Schwere Übergriffe gegen Kinder in den letzten Wochen seien besorgniserregend, sagte der Afghanistan-Vertreter der Organisation, Hervé Ludovic. Den Angehörigen des verheerenden Anschlags in Kabul spreche man sein tiefstes Beileid aus. Dabei waren am Donnerstag mindestens 110 Menschen getötet worden, darunter 13 US-Soldaten. US-Präsident Joe Biden kündigte Vergeltung an.
Seit Beginn dieses Jahres wurden nach UN-Angaben mehr als 550 Kinder in Afghanistan getötet und mehr als 1400 verletzt. Fast zehn Millionen Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die UN bereiten sich derweil auf eine Massenflucht aus Afghanistan vor. Im schlimmsten Fall könnten bis Jahresende mehr als eine halbe Million Menschen das Land verlassen, warnte die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Kelly Clements. Es sei aber noch unklar, wie sich die Lage entwickele. An den Grenzübergängen zum Iran und zu Pakistan seien noch keine größeren Flüchtlingsgruppen angekommen. Das UNHCR stelle Hilfsgüter in den Nachbarländern bereit.
Hohe Zahl an Binnenvertriebenen
Neben der Gewalt haben eine anhaltende Dürre und die Folgen der Corona-Pandemie verheerende Auswirkungen auf die Menschen. In den vergangenen Wochen sind Tausende Familien aus den Provinzen vor den Kämpfen zwischen den Taliban und der Armee in die Hauptstadt geflohen. Die UN beziffert die Zahl der so genannten Binnenvertriebenen mit knapp 5,5 Millionen. Bereits zu Beginn des Jahres brauchte demnach rund die Hälfte der Bevölkerung von 40 Millionen Unterstützung zum Überleben. Etwa eine Million Kinder droht ohne sofortige Hilfe zu verhungern.
uh/qu (dpa, afp, rtr)