Gesucht: Die richtige Formel für billige Fernflüge
4. Dezember 2014Der Preisdruck auf dem Markt für Langstreckenflüge ist enorm. Allen voran die Gesellschaften vom Persischen Golf wie Emirates, Qatar Airways und Etihad, aber auch Turkish Airlines überschwemmen die Buchungsportale mit günstigen Economy-Tickets. Da konnte die Lufthansa mit ihren deutschen Kosten bisher kaum mithalten. Von einigen Strecken wie etwa nach Abu Dhabi zieht sie sich angesichts der Übermacht der Konkurrenz sogar zurück. Doch seit Mittwoch (03.12.2014) steht fest, wie das Gegenmittel der Kranich-Linie aussehen wird.
Günstigere Gehaltsstruktur
Ab dem Winterflugplan 2015/16 wird vom Flughafen Köln/Bonn unter dem Markennamen Eurowings eine Flotte von zunächst drei, später sieben Airbus A330-200-Langstreckenflugzeugen zu vornehmlich touristischen Zielorten starten. Angekündigt wurden Strecken nach Florida, dem Indischen Ozean und dem südlichen Afrika. "Die Wettbewerbssituation der Lufthansa-Gruppe erfordert eine Verbreiterung des Portfolios, wir wollen damit an Wachstumsmärkten teilnehmen, die wir sonst nicht abdecken könnten", sagt Lufthansa Passage-Vorstand Jens Bischof zu DW. Die Besatzungen werden angestellt sein beim deutsch-türkischen Joint Venture Sun Express Deutschland. Deren Gehaltsstrukturen sind deutlich günstiger als jene an Bord von Lufthansa-Flugzeugen. Auch dagegen richtet sich die aktuelle Tarifauseinandersetzung der Piloten mit dem Lufthansa-Konzern, der jetzt zum zehnten Streiktag in diesem Jahr führte.
Einsparpotential auf der Langstrecke
Billigflüge auf Langstrecken sind ein schwieriges Thema, denn auf längeren Flügen zwischen den Kontinenten schwinden die Preisvorteile, die Billigflieger auf hoch frequentierten Kurzstrecken erzielen können. Die Kosten für Treibstoff, Flugzeugleasing oder Überfluggebühren sind für alle Airlines gleich, hier können Billliganbieter wenig einsparen. Es gab bisher viele Pleiten in diesem Geschäftsfeld, nur in Asien haben sich Anbieter wie Air Asia X oder Jetstar etabliert. Allerdings hatte Air Asia X ihre Europastrecken vor Jahren schnell wieder eingestellt, jüngst aber einen neuen Versuch angekündigt. In Europa versucht sich derzeit Norwegian Air Shuttle erfolgreich mit nagelneuen Boeing 787 in diesem Segment. Die Lufthansa hat angekündigt, dass die Airbus A330 von Eurowings mit 310 Sitzen ausgestattet sein werden, was im Branchenvergleich einen relativ hohen Sitzkomfort verspricht. Air Berlin hat Flugzeuge dieses Typs mit 340 Plätzen in einer reinen Economy-Kabine im Einsatz. Lufthansa hat bisher keine Details zum Produkt an Bord der Eurowings-Langstrecken verkündet. Bekannt ist aber, was den Planern als Vorbild diente: Die asiatische Langstrecken-Billiglinie Scoot, ein 2012 gegründeter Billig-Ableger von Singapore Airlines. "Scoot ist ein interessantes Konzept", sagt Lufthansa-Vorstand Jens Bischof. "Wir haben uns genau angeschaut, was wir von Scoot lernen können."
Vorbild Sccot
Ein Flug mit Scoot von Singapur nach Taipeh zeigt, was Fluggäste künftig auch an Bord von Eurowings-Langstrecken erwarten könnte. Vor dem Start gibt es in dem knallgelben Großraumflugzeug für die Passagiere in den vorderen Reihen Getränke. Ein kleines Plastikdöschen mit Wasser. Dabei nennt sich das Abteil Business Class. Wer mehr Durst bekommt, hat Pech. "Wir dürfen nur eine Dose pro Passagier ausgeben, sie können nach dem Start etwas zu trinken kaufen", bedauert die Flugbegleiterin. Später, in der Luft, bekommen die Fluggäste hier ein inkludiertes Menü in einer mit Folie überzogenen, erhitzten Plastikschale plus ein Getränk. Weiter hinten muss alles einzeln gekauft werden - Chicken Rice oder Pasta für umgerechnet 7,50 Euro, ein alkoholfreies Getränk für 2,50 Euro. Und das in Asien, wo sonst der zuvorkommende Service so ziemlich aller Fluggesellschaften zu Recht gerühmt wird. Das ist bei Scoot anders: Die Flugbegleiter sind nach dem Abräumen nur noch selten in der Kabine zu sehen, bei asiatischen Gesellschaften ebenso ungewöhnlich wie die karge Kost. Das fanden am Anfang auch viele Passagiere bei Scoot: "Es gab hier bei den Kunden überhaupt keine Vorstellung, was sie von einem Billigflieger erwarten können, die dachten es gäbe freie Mahlzeiten und Gratis-Getränke, mussten sich erst anpassen", berichtet Scoot-Chef Campbell Wilson.
40 Prozent billiger
Nur mit Billigtöchtern lassen sich für manch etablierte Vollservice-Gesellschaft Kundenkreise erschließen, die eben nur mit Günstigangeboten ins Flugzeug zu locken sind. "Unsere Tarife liegen 40 Prozent unter den Economy-Preisen bei unserer Muttergesellschaft", so Wilson. Dafür ist der Komfort spürbar karger und die Abflugzeiten manchmal unangenehm - der Flug von Singapur nach Sydney startet etwa um Viertel vor drei Uhr in der Nacht.
Doch das Konzept 'billiger Grundpreis mit Aufpreis für alle Extras' kam bei den bisher verwöhnten Asiaten zunächst nur schwer an. "Da gab es am Anfang viele Missverständnisse, die Leute kannten das Billigflug-Prinzip einfach nicht", erinnert sich Wilson. Mittlerweile hat sich Scoot etabliert, fliegt derzeit mit sechs Flugzeugen zwei Millionen Passagiere im Jahr zu Zielen innerhalb Asiens, davon vier in China sowie drei in Australien. Sydney ist die längste Strecke mit acht Stunden Flugzeit, Scoot-Flüge sollen sich in einem Radius zwischen fünf und neun Stunden Dauer ab Singapur abspielen. Bald wird die Flotte erneuert und wird künftig aus 20 neuen Boeing 787 Dreamliner bestehen. Das Geschäftsmodell kommt auch in Asien an, in Singapur sind über ein Drittel der Passagiere Kunden bei Billigfliegern, meist aber auf kurzen Verbindungen. Lufthansa-Vorstand Jens Bischof allerdings dementiert, das Eurowings ein Imitat der Asiaten sein wird. "Dafür ist schon die geographische Ausgangslage zu unterschiedlich, denn von Mitteleuropa aus kämen sie mit den bei Scoot üblichen rund 6 Stunden Flugdauer nicht allzu weit."