Gestörtes Funkgeschäft
19. April 2003Die Nachrichten aus Helsinki waren dann doch nicht so schlecht wie befürchtet: Als Nokia am Donnerstag (17.4.2003) seine Geschäftszahlen für das erste Quartal des Jahres offiziell vorstellte, konnte der finnische Weltmarktführer für Mobiltelefone überraschen. Der Gewinn vor Steuern ging zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp vier Prozent auf 1,26 Milliarden Euro zurück. Die Branche hatte aber mit schlechteren Zahlen gerechnet. Das Handy-Geschäft hat sich positiv ausgewirkt.
In der Netzwerksparte weist Nokia hingegen zum ersten Mal Verluste aus: ein Minus von 127 Millionen Euro nach fast 150 Millionen Euro Gewinn im ersten Quartal 2002. Für diesen Geschäftsbereich hatte der Mobilfunkkonzern kürzlich zudem angekündigt, 1800 Stellen zu streichen – zehn Prozent der Jobs.
Die Marktführer leiden
Die Zahlen des führenden Mobilfunkkonzerns sind typisch für die gesamte Branche: Die Netzwerktechnik macht Probleme. Das Geschäft mit Funkmasten und Handy-Netzen läuft nicht. Vor allem der bisher verzögerte Ausbau des UMTS-Netzes (Universal Mobile Telecommunications System) durch die Betreiber belastet die Handy-Unternehmen. Zuerst stand die UMTS-Technik für einen riesigen technischen Schritt nach vorne in der mobilen Kommunikation. Wegen hoher und schneller Datenübertragungsraten sollte es möglich sein Filme zu senden, oder per tragbarem Telefon ins Internet zu gehen.
Doch bislang wurden Ankündigungen von Telekommunikationsanbietern, wann das neue Netz funktioniert, immer wieder zurückgenommen und der Termin auf später verschoben. Darunter leiden die Mobilfunkkonzerne, die diese Technik verkaufen wollen. Viel stärker als der finnische Nokia-Konzern, der sein Geld vor allem mit dem Verkauf von mobilen Telefonen verdient, ist der schwedische Konkurrent Ericsson betroffen. Der weltweit größte Mobilfunkkonzern macht den größten Teil seiner Umsätze mit dem Netztechnikgeschäft. Und schreibt seit Jahren Verluste. Anfang April musste der bisherige Vorstandschef Kurt Hellström seinen Posten abgeben.
Weniger Investitionen
"Es gibt weltweit noch kein völlig funktionierendes UMTS-Netz", sagt Ingmar Lehmann, Technologieexperte bei der schwedischen Bank SEB in Frankfurt am Main. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. In Deutschland müssen T-Mobile, Vodafone und die anderen Inhaber einer UMTS-Lizenz zwar bis Ende 2003 sicherstellen, dass ein Viertel der Bevölkerung Zugang zu diesem neuen Netz hat. Andernfalls müssen sie ihre Lizenz abgeben. Branchenkenner rechnen jedoch damit, dass die Netzbetreiber nicht mehr als dieses Minimum in Betrieb nehmen werden. Trotzdem wäre Deutschland damit schon weiter als irgendein anderes Land. Diese Zurückhaltung beim UMTS-Aufbau wird sich nach Ansicht von Aktienanalyst Lehmann fortsetzen: "Die Telekommunikationkonzerne wie T-Mobile in Deutschland wollen einfach kein Geld in die Hand nehmen." Das gelte jedoch nicht nur hierzulande. Lehmann rechnet vielmehr damit, dass die Investitionen in das neue Netz in diesem Jahr weltweit um bis zu zehn Prozent zurückgehen werden.
Die Schuld daran, dass der angekündigte Siegeszug der UMTS-Technik bislang überall ausblieb, geben sich Netzbetreiber und Mobilfunkunternehmen gegenseitig: Wozu ein teures Funknetz aufbauen, wenn es keine neuen Mobiltelefone am Markt gibt, die darin benutzt werden können, fragen die einen. Wozu UMTS-Handys anbieten, wenn die Kunden es ohne Netz nicht benutzen können, wollen die anderen wissen. "Da beisst sich die Katze in den Schwanz", sagt Lehmann von der SEB.
Keine Prognose wagen
Dabei sind die Zahlen beim weltweiten Handy-Verkauf nicht so schlecht. 2003 rechnet die Branche damit, bis zu 450 Millionen Mobiltelefone weltweit zu verkaufen – ein Plus von zehn Prozent nach 6,5 Prozent im Vorjahr. Weitere Wachstumschancen sind noch vorhanden: In China, einem der viel versprechendsten Märkte überhaupt, können nur 20 Prozent der Bevölkerung bislang ein Handy ihr Eigen nennen. Doch insgesamt halten sich viele Nutzer mit dem Kauf eines neuen Gerätes noch zurück. "Die sind technisch oft noch nicht optimal und zu teuer", sagt Technologieexperte Lehmann. Viele Mobiltelefonierer warten lieber, bis die neue Technik UMTS sich am Markt durchgesetzt hat und der Preis für die Geräte sinkt.
"Der Durchbruch kommt erst, wenn die UMTS-Netze umfassend funktionieren", zeigt sich der SEB-Aktienanalyst sicher. Dass sich die neue Technik durchsetzt, wird von Branchenkennern kaum bezweifelt. Wann das passieren soll, wagt aber kaum einer vorauszusagen. Obwohl Netzanbieter wie Vodafone den Betrieb in Deutschland und sieben weiteren europäischen Ländern mal wieder angekündigt haben – diesmal für Herbst 2003. Doch die Mobilfunkbranche ist mit Voraussagen vorsichtig geworden. Die Vorläufertechnik von UMTS, das WAP-Mobiltelefon (Wireless Application Protocol), ist nach ausführlichen Ankündigungen niemals wirklich auf den Markt gekommen. "Das ging völlig in die Hose", erinnert sich Lehmann.