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Gestrandet in Piräus

Jannis Papadimitriou, Athen25. März 2016

Trotz des EU-Türkei-Abkommens strömen weiterhin tausende Flüchtlinge nach Griechenland und harren dort aus. Obwohl die Balkanroute gesperrt ist, hoffen die Menschen unbeirrt auf eine Weiterreise nach Mitteleuropa.

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Flüchtlinge in Griechenland Zeltlager in Piräus (Foto: DW/J. Papadimitriou)
Bild: DW/J. Papadimitriou

Später Wintereinbruch am Hafen von Piräus: Feuchter Südwind bläst durch die Zeltstadt der Flüchtlinge, die Sonne versteckt sich hinter dunklen Wolken, immer wieder kommt es zu heftigen Regengüssen. Mohamad aus Afghanistan macht das alles zu schaffen. "Wir haben zu wenige Zelte und die sind in der Regel nicht wasserdicht. Allein in der vergangenen Nacht mussten wir uns zwei Mal umziehen wegen der Nässe. Viele sind krank, auch mich hat vermutlich die Grippe erwischt", klagt der junge Mann im Gespräch mit der DW. Und es gibt noch Schlimmeres zu vermelden: Nach Behördenangaben sind bereits drei Hepatitis-A-Fälle im Camp-Provisorium von Piräus aufgetreten. Infektiöse Durchfallerkrankungen sind im Hafengelände seit langem an der Tagesordnung und werden vermutlich durch schlechte Hygiene und unzureichende Sanitäranlagen begünstigt. Duschmöglichkeiten für die Flüchtlinge seien nämlich nicht vorhanden, berichtet Mohamad. Man bemühe sich redlich, die Sanitäranlagen regelmäßig zu reinigen, aber es gebe einfach zu wenige Toiletten für die vielen Menschen vor Ort.

Als provisorische Notunterkunft für rund 1.500 Neuankömmlinge war das Passagierterminal E2 im Hafengelände von Piräus konzipiert worden. Doch derzeit werden hier geschätzte 5 000 Menschen zusammengepfercht. Unter ihnen sind viele Familien, Kleinkinder und Kriegsverletzte. Allzu gerne würden die Gestrandeten diesen Ort im scheinbaren Niemandsland verlassen, aber nur in Richtung Westeuropa und nicht, um in eins der neuerrichteten Flüchtlingscamps auf dem griechischen Festland gebracht zu werden. Mohamad ist da keine Ausnahme: Am liebsten will er nach Deutschland oder Norwegen weiterreisen. Von den Grenzschließungen in Europa hat er schon erfahren, trotzdem will er auf seine Chance zur Überfahrt warten. In Afghanistan, berichtet der Mann aus Mazar-i-Sharif, würde seine gesamte Familie bedroht, da sein Bruder für die Bundeswehr dort gearbeitet habe. "Wir ärgern uns sehr darüber, dass die Grenzen in Europa dicht gemacht werden. Schließlich verlassen wir unsere Heimat nicht, um besser zu verdienen, sondern um unser Leben zu retten", sagt er.

Flüchtlinge in Griechenland Essensausgabe in Piräus (Foto: DW/J. Papadimitriou)
Essensausgabe in PiräusBild: DW/J. Papadimitriou

Hoffen auf Heilung in Deutschland

Auch nach dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens hat sich scheinbar nicht viel verändert in der Zeltstadt von Piräus. Routinemäßig bringt die Fähre "Ariadne" an diesem Wintertag weitere 250 Flüchtlinge und Migranten von den ostägäischen Inseln hierher. Immerhin sind das deutlich weniger Menschen als in den Tagen zuvor, aber das Camp-Provisorium platzt weiterhin aus allen Nähten. Zu den Neuankömmlingen gehört auch der bettlägerige Ibrahim aus dem syrischen Idlib. Er hat eine Kriegsverletzung am rechten Fuß erlitten, seine Gesundheit ist angeschlagen. Mit vier Landsleuten teilt sich nun Ibrahim ein durchnässtes Zelt auf dem Hafengelände. Er muss ständig auf dem Rücken liegen und eine Urinflasche mit sich führen. Das Sprechen fällt ihm nicht leicht, nur so viel erzählt der Mann: Er will nach Deutschland.

Für Schlagzeilen sorgte der siebenjährige Rami aus dem syrischen Tadamoun, der an Lymphdrüsenkrebs leidet und dringend auf eine Knochenmarkspende von seinen Brüdern angewiesen ist. Über die Balkanroute gelangten der Junge und sein Vater bereits nach Deutschland. Doch der Rest der Familie sitzt nach wie vor im Norden Griechenlands fest, nachdem die Länder Mitteleuropas ihre Grenzen für Flüchtlinge geschlossen haben. Laut Athener Medienberichten sind die Verwandten von Rami derzeit zu Gast bei der Jugendschutzorganisation ARSIS in Thessaloniki. Griechenlands Koordinator für Einwanderungspolitik, Jorgos Kyritsis, verspricht nun, Kontakt zu den deutschen Behörden aufzunehmen, damit die Familie von Rami in Deutschland wieder zusammen geführt wird und der 7-jährige seine lebensrettende Knochenmarkspende noch rechtszeitig erhalten kann.

Warten auf die Öffnung der Grenze

Doch die allermeisten Flüchtlinge, die über die Türkei nach Griechenland gekommen sind, sitzen erst mal hier fest. Niemand weiß, wie lange noch. Eine Rückreise sei jedenfalls keine Option, erklärt Mohammad aus Syrien. Seit einer Woche verharrt er im Hafen von Piräus, teilt sich ein kleines Zelt mit zwei Landsleuten, und will möglichst schnell nach Deutschland. Ja, von den Grenzschließungen habe er auch schon gehört, sagt der 25-Jährige. Aber er sieht nur eine einzige mögliche Lösung für dieses Problem: "Wir werden halt so lange warten, bis die Grenze wieder offen ist". Ein Foto will der junge Mann von sich nicht machen lassen.

Flüchtlinge in Griechenland Mohamad (Foto: DW/J. Papadimitriou)
Mohamad ist entschlossen: Er wird weiter versuchen, nach Deutschland zu kommenBild: DW/J. Papadimitriou

Ganz anders Mohamad aus Afghanistan. Er sei froh über das Foto, sagt er, und vielleicht wäre sein Vater in Afghanistan stolz auf ihn, wenn er das Foto sähe. Leider hätte der Vater nicht mehr genug Geld, um selbst die Reise über das Mittelmeer in Richtung Europa anzutreten. "Er musste sein Haus verkaufen, damit mindestens seine Söhne das Land verlassen können", berichtet Mohamad.