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Gespanntes Verhältnis

Peter Philipp27. Mai 2003

Die USA verstärken ihren Druck auf den Iran als mögliches Rückzugsgebiet des Terrornetzwerks El Kaida. Was an den Vorwürfen dran ist und warum es nicht nur um die "Kaida" geht, erläutert Peter Philipp.

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Proteste vor der US-amerikanischen Botschaft in TeheranBild: AP

So ungewöhnlich der Anlass auch war, aber die Erzfeinde Iran und USA schienen einander näher zu kommen, seitdem die USA den Irak erobert und damit die Umzingelung des Iran vollendet hatten: Afghanistan im Osten und der Irak im Westen stehen unter direktem amerikanischen Einfluss, Pakistan und die zentralasiatischen Republiken gehören zum US-Einflussbereich.

Ein Schritt vor ...

Plötzlich besann man sich in Teheran und Washington gemeinsamer Interessen und man intensivierte – zunächst geheim, dann offen zugegeben – direkte Kontakte zueinander, die sich zwar vorrangig mit der Lage in Afghanistan beschäftigen sollten, in Wirklichkeit aber ein weitaus breiteres Spektrum abdeckten: die Zukunft im Irak, Irans Nuklearpläne, der Kampf gegen den Terrorismus und Möglichkeiten einer gegenseitigen Annäherung.

... ein Schritt zurück

Seit letztem Donnerstag (22.5.) könnte diese Entwicklung ein abruptes Ende gefunden haben: Die US-Vertreter erschienen nicht zum vereinbarten Treffen. Sie hatten sich dem Druck gebeugt, der von Washingtons neokonservativem Lager nun in Richtung Teheran aufgebaut wird und der zunehmend die Atmosphäre vergiftet: Der Iran, so versichern US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und willfährige politische Weggefährten, habe führenden El-Kaida-Vertretern Unterschlupf gewährt, darunter einem Ägypter, der direkt für die Anschläge in der saudischen Hauptstadt Riad verantwortlich sei.

Streitpunkt El Kaida

In Teheran weist man solche Vorwürfe empört zurück: Der Iran bekämpfe Gruppen wie die "Kaida" schon länger als die USA das tun. Washington habe die Taliban und "Kaida"-Chef bin Laden noch unterstützt, als Teheran bereits gegen diese vorgegangen sei. Es sei deswegen absurd, dem Iran zu unterstellen, nun gemeinsame Sache mit der "Kaida" zu machen. Gleichwohl will man in Teheran nicht ausschließen, dass Angehörige des Terrornetzwerkes aus Afghanistan oder Pakistan in den Iran geflüchtet seien. Beweise dafür gebe es ja bereits, denn im zurückliegenden Jahr habe der Iran etwa 500 "Kaida"-Angehörige festgenommen und in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt. Führende Vertreter der Organisation seien aber nicht gefunden worden.

Vorwürfe ohne Beweise?

Den Washingtoner Hardlinern reichen diese Erklärungen nicht, denn sie zielen offenbar auf mehr als nur die Verfolgung der "Kaida": Nun wird nachgelegt, dass der Iran sich "nachweislich" um den Bau von Nuklearwaffen bemühe. Wobei die "Nachweise" noch weniger stichhaltig sind als im Fall der Massevernichtungswaffen Saddam Husseins. Im Fall des Iran ist eher das Gegenteil nachweisbar, denn Teheran lässt regelmäßige Kontrollen seiner atomaren Anlagen und Projekte durch Vertreter der Atomenergiebehörde zu.

Das ficht die Scharfmacher in Washington nicht an, die mit dem Sturz des Saddam-Regimes offenbar auf den Geschmack gekommen sind, nun auch den nächsten Teil der "Achse des Bösen" in Angriff zu nehmen. Ein militärischer Angriff ist dabei freilich nicht geplant. Die Veränderung soll von den Iranern selbst kommen. Immerhin hat selbst George W. Bush seit geraumer Zeit eingeräumt, dass es im Iran bereits demokratische Strukturen gebe, die aber durch nicht gewählte Instanzen stets unterhöhlt und unterlaufen würden.

Das Problem soll sich von selbst lösen

Im Iran einen Volksaufstand anzuzetteln - und das womöglich noch mit Hilfe der im Irak stationierten "Volksmujaheddin" – würde sich aber rasch als fatale Fehleinschätzung der Lage entpuppen: Eine Mehrheit der Iraner will Reformen und auch die Wiederaufnahme von Beziehungen zu den USA – das haben Wahlen und Meinungsumfragen ergeben. Geraten sie aber unter äußeren Druck, dann werden die Iraner solche Ambitionen hintanstellen und die Reihen schließen. So, wie sie es gegen den Irak taten, als dieser den langjährigen Krieg vom Zaun brach. Oder wie man Bushs These von der "Achse des Bösen" gemeinsam zurückwies.

Wenn Washington wirklich etwas für den Iran und die Iraner tun will, dann sollte es die Kontakte der letzten Wochen wieder aufnehmen und den Scharfmachern in den eigenen Reihen einen Maulkorb verpassen.