Gespaltene Stimmung vor Erdogan-Auftritt in Köln
23. Mai 2014Deutschland ist für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan kein fremdes Land. Vielmehr fühlt er sich für die rund drei Millionen Türkischstämmigen in "Almanya" mitverantwortlich. So scheute er in der Vergangenheit auch nicht davor zurück, Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Hilfe bei eventuellen Problemen mit türkischen Migranten anzubieten.
Was sich in Deutschland tut, wird in der Türkei von den klassischen Medien und den Sozialen Netzwerken sofort registriert. Die Anschläge deutscher Neonazis auf türkische Einrichtungen und Wohnhäuser rufen ebenso heftige Reaktionen in der türkischen Öffentlichkeit hervor wie die Anti-Erdogan-Demonstrationen im Zuge der regierungskritischen Gezi-Proteste im Sommer 2013.
"Fallstricke für Erdogan in Deutschland"
So wird Erdogans Auftritt in Köln am Samstag (24.05.2014) mit Spannung erwartet. Von einigen Seiten gibt es auch Befürchtungen: Die regierungsnahe Tageszeitung "Sabah" warnt zum Beispiel vor "Fallstricken für Erdogan in Deutschland". Kritisiert wird, dass deutsche Behörden zeitgleich zu dem Besuch Gegendemonstrationen in Köln zulassen würden. Damit werde "Provokationen Tür und Tor geöffnet". Diese Haltung teilt die regierungskritische Zeitung "Hürriyet" nicht. Sie verweist auf Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der sich dafür ausgesprochen hat, Erdogan in Köln reden zu lassen.
Der Politikwissenschaftler Hüseyin Yayman von der Gazi-Universität in Ankara ist als Mitglied der mitreisenden Delegation der Meinung, Erdogan werde in Köln keine "scharfe, kritische Rede" halten. Auch werde er nicht auf die deutschen Medien und Politiker eingehen, die ihn als "antidemokratisch und despotisch" betrachten. "Es gibt in Deutschland drei Millionen Türken, die sich bessere deutsch-türkische Beziehungen wünschen", so Yayman. Deshalb seien von Erdogan Botschaften zu erwarten, die Integration und bilaterale Zusammenarbeit fördern sollen.
"Retourkutsche" oder Chance für bilaterale Beziehungen?
Ganz anders sieht das Fatma Yilmaz, EU-Expertin am Institut für Internationale Strategische Studien in der türkischen Hauptstadt. Sie befürchtet, dass Erdogan den Wahlkampf für die Präsidentenwahlen im August nach Köln verlegt und die deutsch-türkischen Spannungen und Verstimmungen verschärft. Yilmaz schließt auch eine "Retourkutsche für die kritischen Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Staatsbesuch Ende April" nicht aus. Der deutsche Staatschef hatte die Mängel im Bereich Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei offen kritisiert.
Nach diesem Besuch sei das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin angespannt - und brauche eine "Reparatur", meint Politik-Experte Tunay Ince, Vorsitzender des Zentrums für EU-Aktivitäten in der Türkei. Dafür biete Erdogans Auftritt in Köln "eine große Chance". Andererseits gibt Ince zu bedenken, dass Erdogans regierende AKP-Partei vor zwölf Jahren mit dem Ziel an die Macht gekommen sei, die Türkei zur EU-Mitgliedschaft zu führen. Wenn aber der Reformeifer weiter erschlaffe, wäre es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Türkei "von Europa abgekoppelt" werde, so der Experte.
Für die UETD (Union Europäisch-türkischer Demokraten), deren Zehn-Jahres-Feier der Anlass für Erdogans Köln-Auftritt ist, wird es kein Problem sein, die Lanxess-Arena mit mindestens 15.000 Menschen zu füllen. Mehrere türkische TV-Sender werden die Rede live übertragen und somit die türkische Öffentlichkeit über alle Details vor, während und nach dem Auftritt Erdogans informieren.