Gesichter des Kaisers
Für viele ist der einstige Über-Fußballer Kult: Franz Beckenbauer - Weltmeister, Macher des Sommermärchens 2006 und Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Doch sein Image erhält nun mehr und mehr Kratzer.
Von der Lichtgestalt zur Schattenfigur
Einst war er die Lichtgestalt des deutschen Fußballs: Weltmeister als Spieler und Trainer, Beschaffer der Heim-WM 2006. Aber zum letztgenannten Erfolg holen den "Kaiser" inzwischen dunkle Schatten der Vergangenheit ein: dubiose Zahlungsvorgänge, die er nicht erklären kann. Gegen den 70-Jährigen, seit kurzem Winzer in Südafrika, wird staatsanwaltschaftlich ermittelt, sein Haus wurde durchsucht.
Diese Kugel ist seine Welt
Momentan meidet er die Öffentlichkeit, offensichtlich um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Dabei beherrscht er alle Spielarten seines Fachs: vom grünen Rasen über die Medien bis hin zum Grünen Tisch. Der Name Beckenbauer ist zur Marke gereift. Franz Beckenbauers Beruf: Franz Beckenbauer. Ein Tausendsassa, der den deutschen Fußball geprägt hat.
Einzigartige Titelsammlung
Beckenbauer wird kurz nach dem 2. Weltkrieg am 11. September 1945 in München geboren. Von 1965 bis 1983 legt er die Fundamente seiner Spieler-Karriere: Im Vereinsfußball wird er mit dem FC Bayern München je viermal Deutscher Meister und Pokalsieger, zudem einmal Meister mit dem Hamburger SV. Drei US-Titel folgen mit Cosmos New York. Außerdem holt er vier europäische Titel und einmal den Weltpokal.
Nebenspielplätze
Früh schon entdecken Werbemanager und Musikverleger das Potential des Fußballers: Von der Fertigsuppe über die eigene Schallplatte bis hin zu Mobilfunknetzen gibt Beckenbauer über Jahrzehnte für vieles seinen Namen her. Der bayerische Einschlag mit rollendem R ist sein sprachliches Erkennungsmerkmal. Der Werbeslogan "Ja, is' denn heut' scho' Weihnachten?", wird zum geflügelten Satz.
Der sportliche Gipfel
Fußball ist ein Rasenspiel, denn Fußballspieler rasen viel - nur Beckenbauer meistens nicht. In seinem zwar eleganten, aber teilweise auch überheblich wirkenden Spiel ist Abrackern nicht vorgesehen. Warum auch? Seine vorausdenkende Spielweise, seine präzisen und genialen Pässe machen ihn weltberühmt. Sein größter Erfolg: 1974 führt er die Nationalelf bei der Heim-WM als Kapitän zum Titel.
Kaiserkrone und Kaiser-Klone
Wenn's läuft, dann läuft's - könnte eine der tiefen Beckenbauerschen Lebensweisheiten lauten. Denn selbst als Spielfigur im Nationaldress gibt es den Libero ab 1977. Zu diesem Zeitpunkt wird er von Fans und Medien schon neun Jahre lang mit dem Spitznamen "Kaiser" geadelt. Wegen seiner Spielintelligenz, seiner Persönlichkeit, seiner Erfolge. Doch endgültig auf dem Fußball-Olymp landet er 1990.
Traumbilanz
Als Teamchef führt Beckenbauer die deutsche Nationalmannschaft gegen Argentinien zum dritten Weltmeistertitel. Vier Jahre zuvor war er noch an diesem Gegner gescheitert, aber Vizeweltmeister geworden. Nach dem Finale in Rom genießt er zunächst still den Erfolg, bevor es zum Jubeln geht. Der Kaiser ist der Zweite - Mário Zagallo war der Erste -, der als Spieler und Trainer Weltmeister wird.
Vereinstrainer und Sportfunktionär
Nach dem WM-Triumph widmet sich Franz Beckenbauer wieder dem Vereinsfußball. Zunächst bei Olympique Marseille. Ab 1991 übernimmt er Verantwortung in der Führungsetage seines Heimatvereins Bayern München. Als zweimaliger Interimscoach wird er Deutscher Meister und UEFA-Pokal-Sieger. Von 1994 bis 2009 hat er als Präsident Anteil daran, den FC Bayern zu einem weltweiten Spitzenclub zu formen.
Des Kaisers Frauen
Licht zieht an. Lichtgestalten auch. Der Charme Franz Beckenbauers wirkt scheinbar auf Frauen. Mit Vieren hat der Kaiser fünf Kinder. Trotz des Trubels während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland heiratet er im Juni 2006 Heidi, seine dritte Frau. Ein Schicksalsschlag ist der Tod von Stephan, eines Sohnes aus erster Ehe. Ende Juli 2015 erliegt der einer schweren Krankheit .
"Kaiserschmarrn"
...ist für gewöhnlich eine meist süße Mehlspeise der bayerischen Küche. Als Schmarrn bezeichnet die bayerische Mundart aber auch den Unsinn, den jemand von sich gibt. In Bezug auf Franz Beckenbauer bekommt das Wort Kaiserschmarrn mitunter eine ganz eigene Bedeutung. So stellt der passionierte Golfer mit Blick auf die Baustellen für die WM in Katar sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in Abrede.
Eigene Ansichten
Amnesty International weiß es besser. Kritiker monieren zudem, dass Beckenbauer seit 1982 - vermutlich aus steuerlichen Gründen - seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, zugleich aber Deutschland als optimales Land zum Leben preist. Dass sich der Kaiser 2012 als "Global Ambassador" des Verbandes russischer Gasproduzenten in "Putin-Land" hat anwerben lassen, hat ebenfalls Kritik ausgelöst.
Franz und das Sommermärchen
Für Beckenbauer bleibt der Ball die Weltkugel. Von 1998 bis 2010 einer der Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, wird er zusätzlich Chef des Bewerbungskomitees, das die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland holen soll. Dem Weltmann in Sachen Fußball gelingt es. Es folgt das Sommermärchen, wofür ihm nicht nur der Karneval huldigt. Doch dieses Märchen enthält wohl auch ein dunkles Kapitel.
Die unerklärlichen Millionen
Denn für die WM 2006 floss Geld, das niemand erklären kann. Sechs Millionen Schweizer Franken gingen 2002 von einem Konto von Beckenbauer und dessen früheren Manager über eine Kanzlei an den damaligen FIFA-Vizepräsidenten Mohammed bin Hammam. Ein Geldfluss, der bei der Schweizer Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäsche sowie Veruntreuung nährt.