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Ein Film zur rechten Zeit: "Fritz Bauer - Tod auf Raten"

25. November 2011

Das Festival "Ueber Mut" zeigt den Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" über den legendären Generalstaatsanwalt. Die Dokumentation über die Nazi-Prozesse der Nachkriegszeit ist gerade aktueller denn je.

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Zeitzeugen, Thomas Harlan, im Film über Fritz Bauer (Foto: Ilona Ziok)
Reden über Fritz BauerBild: CV Films/Fritz Bauer - Tod auf Raten

Fritz Bauer war der wohl bekannteste deutsche Generalstaatsanwalt der Nachkriegsgeschichte. Er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, nationalsozialistische Verbrechen aufzudecken und anzuklagen. "Für mich ist Fritz Bauer der größte deutsche Demokrat der Nachkriegszeit" sagt Regisseurin Ilona Ziok im Gespräch mit der Deutschen Welle. Ohne ihn hätten wir nicht die Demokratie, die wir heute haben - davon ist sie überzeugt. Bei seiner Uraufführung während der Filmfestspiele in Berlin im vergangenen Jahr und den Vorführungen in der Folgezeit in verschiedenen deutschen Städten hat der Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" immer wieder Diskussionen ausgelöst.

Filme über couragierte Bürger

Gerade jetzt, nach der Aufdeckung der Mordserie durch Rechtsradikale und den Diskussionen über das Versagen der deutschen Geheimdienste, ist der Film von brennender Aktualität. Das bundesweite Filmfestival "Ueber Mut", das seit einem Jahr durch die Lande zieht und Filme über Bürgerengagement in den Kinos zeigt, machte nun Station in Bonn. Es wurde von Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz eröffnet. Ilona Zioks Film wurde zum Auftakt gezeigt.

Regisseurin Ilona Ziok (Foto: DW)
Regisseurin Ilona ZiokBild: DW

"Ueber Mut" hat es sich zur Aufgabe gemacht, Filme zu präsentieren, die Menschen in den Mittelpunkt stellen, "die unsere Gesellschaft verändern oder ihre Träume leben wollen" - so die Veranstalter. Organisiert wird das Festival von der "Aktion Mensch", bundesweit unterstützt von Kooperationspartnern wie Amnesty International, UNICEF oder der Heinrich-Böll-Stiftung.

Vom Umgang mit dem Schrecken

"Fritz Bauer - Tod auf Raten" erinnert die Zuschauer an eine Epoche der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte, die so lange noch nicht zurückliegt und heutigen Zuschauern doch unfassbar fern erscheint. Es ist die Zeit vor dem Epochenjahr 1968. Im Kern geht es im Film um den Umgang der Deutschen mit der Nazi-Vergangenheit. Fritz Bauer, Sohn jüdischer Eltern, gelang es sieben Jahre nach dem Krieg während des sogenannten Remer-Prozesses die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 zu rehabilitierten. Der Nationalsozialismus wurde damals erstmals klar und deutlich als Unrechtsstaat definiert.

Adolf Eichmann als Angeklagter im Gerichtssaal 1962 (Foto: AP Photo)
Adolf Eichmann im GerichtssaalBild: AP

Misstrauen gegenüber deutscher Justiz

Bauers größte Leistung war sicher die Initiierung der Frankfurter Auschwitz-Prozesse gegen breite politische und juristische Widerstände innerhalb der Bundesrepublik. 1960 gab der 1903 in Stuttgart geborene Bauer dem israelischen Geheimdienst darüber hinaus den entscheidenden Tipp zur Ergreifung von Adolf Eichmann in Argentinien. Den deutschen Sicherheitsbehörden und der heimischen Justiz hatte Bauer damals nicht vertrauen wollen. Zu groß erschien ihm das Risiko einer undichten Stelle im Beamtenapparat. Deutschland war in den ersten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg bei Weitem nicht bereit, sich der Vergangenheit zu stellen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Von einer umfassenden und ehrlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen konnte keine Rede sein - das ist eine der Kernaussagen des Films. An dieser bitteren Erkenntnis litt Fritz Bauer.

Aufklärer und Ankläger

Eindrucksvoll und mit vielen Zeitzeugenaussagen macht Regisseurin Ilona Ziok in ihrem Film deutlich, welch einsamen Kampf Bauer damals auszufechten hatte. Mit historischem und dokumentarischem Material, in denen Bauer als Aufklärer und Ankläger auftritt, wird heutigen Zuschauern eines deutlich: In der Bundesrepublik war es lange (fast) unmöglich die Nazi-Verbrechen offen anzusprechen. Zu sehr waren Behörden und Ministerien, Justiz und Beamtenapparat noch mit ehemaligen Tätern und Mitläufern des Regimes durchsetzt. Eine offene Auseinandersetzung war deshalb kaum möglich. Ilona Ziok findet es auch schockierend, wie noch heute mit dem Gedenken an Fritz Bauer umgegangen wird: "Jeder kleine Sportler kriegt in Deutschland die höchsten Preise. Aber der Mann, der für unser heutiges demokratisches Deutschland gesorgt hat, ist leer ausgegangen." Viele Menschen würden ihn nicht einmal kennen.

Aufklärer und Demokrat

Bauer traf somit während seiner Tätigkeit als hessischer Generalstaatsanwalt auf immense Widerstände. Aus heutiger Sicht mag das verblüffen. Es lag wohl auch daran, dass hier ein aufrechter Demokrat mit präzisem juristischem Besteck hantierte, mit klarer Aussage und messerscharfem Verstand. Wobei Bauer alles andere war als ein politischer Eiferer. Vielmehr dachte er bei seiner Arbeit ebenso an die Aufklärung einer demokratisch nachwachsenden Generation wie an das Ansehen Deutschlands im Ausland. So ist es heute nachvollziehbar, dass er zum Wegbereiter derjenigen wurde, die in den Umbruchsjahre 1967/68 wissen wollten, was die Väter getan hatten während des Nationalsozialismus.

Ungeklärter Tod

Auch die bis heute nicht vollständig aufgeklärten Umstände des Todes Fritz Bauers werden im Film behandelt. Bauer war im Juli 1968 tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Diejenigen, die Bauer gekannt haben und die im Film auftreten, halten einen Suizid für ausgeschlossen. Doch auch ein Fremdverschulden konnte nicht nachgewiesen werden. Für beide Todesarten ließen sich Gründe finden. Bauer hatte viele Feinde, im Justizapparat, in der Politik. Doch auch ein persönliches Verzweifeln an der bundesdeutschen Gesetzgebung, die Nazimittäter damals per Gesetz entlastete und Freibriefe ausstellte, ist denkbar.

Frankfurt / Main - Auschwitz Prozeß im neuen Frankfurter Buergerhaus 1964 (Foto: ullstein)
Auschwitz-Prozess in Frankfurt 1964Bild: ullstein bild

Aktueller denn je...

"Fritz Bauer - Tod auf Raten" ist ein ungemein eindrucksvoller Film: ein Dokument über bundesrepublikanische Zeitgeschichte ebenso wie ein erhellender Blick auf die Courage eines einzelnen Menschen. Heute sieht man den Film zudem mit anderen Augen. Dass rechtsradikale Extremisten in Deutschland in den letzten Jahren viele Morde begangenen haben, ist erwiesen. Inwiefern deutsche Geheimdienste bei der Aufklärung geschlampt haben, muss noch untersucht werden. Ein Film wie "Fritz Bauer - Tod auf Raten" lässt den Zuschauer heute auf jeden Fall voller Schrecken zurück. Bundesrepublikanische Institutionen haben bei der Aufklärung rechtsradikaler Verbrechen vor Jahrzehnten versagt - möglicherweise auch wieder in jüngster Zeit.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Sabine Oelze