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Alibaba im Zwielicht

Thomas Kohlmann29. Januar 2015

Enttäuschende Zahlen, Ermittlungen der Aufsichtsbehörden und Vorwürfe, beim Börsengang nicht ausreichend informiert zu haben: Chinas E-Commerce-Gigant Alibaba sorgt derzeit für Gesprächsstoff.

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Alibaba Börsengang
Bild: picture-alliance/dpa

Die Zahlen waren gut, aber für die Analysten nicht gut genug. Mit Kursabschlägen von teilweise mehr als neun Prozent wechselten die Aktien des chinesischen Internetriesen am Donnerstag (29.01.2015) im New Yorker Handel den Besitzer. Der Umsatz war zwar im vierten Quartal 2014 um 40 Prozent auf 4,2 Milliarden US-Dollar gestiegen - doch die Märkte hatten noch mehr erwartet. Außerdem fiel der Gewinn unerwartet um 28 Prozent auf 957 Millionen Dollar.

Am Tag zuvor hatten Berichte über Ermittlungen staatlicher chinesischer Aufseher gegen Alibaba den Aktienkurs unter Druck gesetzt. Die Staatliche Kommission für Industrie und Handel (SAIC) in Peking veröffentlichte im Internet einen Bericht , wonach Alibaba nicht genug gegen gefälschte Produkte oder "illegale Geschäfte" auf seinen Handelsplattformen unternehme. Der Alibaba-Marktplatz Taobao wies die Vorwürfe zurück und unterstellte dem Leiter der SAIC-Untersuchung, Liu Hongliang, eine "unangemessene Vorgehensweise" und "nicht objektive Schlüsse", die darüberhinaus auch noch rufschädigend seien.

Neu ist, dass sich ein chinesisches Unternehmen gegen Vorwürfe staatlicher Stellen so massiv wehrt – und nicht davor zurückschreckt, sich auf einen staatlichen Vertreter wie Liu Hongliang öffentlichkeitswirksam einzuschießen. Bislang waren vor allem große ausländische Autohersteller wie die VW-Tochter Audi, Mercedes-Benz, BMW oder japanische Automobil-Zulieferer ins Visier der Behörden geraten. Bei Alibaba trifft es erstmals ein chinesisches Vorzeigeunternehmen.

Jack Ma / Ma Yun Auftritt beim WEF in Davos 23.01.2015
Investors Liebling: Alibaba-Gründer Jack Ma auf dem Weltwirtschaftsforum in DavosBild: F. Coffrini/AFP/Getty Images

Liebesentzug aus Peking?

Der rasante Aufstieg vom Wohnzimmer des Gründers Jack Ma zum weltgrößten Online-Händler, der den erfolgreichsten Börsengang der Finanzgeschichte aufs Parkett der Wall Street gelegt hatte, hatte international zum Teil zu euphorischen Schlagzeilen geführt. Nicholas Howson, der in China als Jurist tätig war und jetzt Jura-Professor an der Universität Michigan ist, glaubt, Alibaba könnte vor allem testen, wie unabhängig man als chinesisches Unternehmen sei. "Vielleicht will die SAIC demonstrieren, dass man nicht nur gegen internationale, sondern auch gegen nationale Unternehmen vorgehen kann", sagt Nicholas Lardy, China-Experte am Peterson Institute for International Economics in der US-Hauptstadt Washington. "Was wäre da besser, als jemanden an der Spitze der Nahrungskette zu kritisieren?"

Marktteilnehmer stellen sich die Frage, ob die Zeiten vorbei sind, in denen der Konzern des Vorzeigeunternehmers Jack Ma Pekings Liebling war.

Kampf gegen das Schmuddel-Image

Die Nummer Zwei bei Alibaba, Joe Tsai, gab sich am Tag nach der Veröffentlichung des SAIC-Berichts diplomatisch: In einem Interview mit dem Finanz-TV-Sender Bloomberg erklärte der miliardenschwere Taiwan-Chinese, der lange als Investmentbanker in den USA gelebt hat: "Es gibt nichts wichtigeres als das Vertrauen der Kunden, die auf unserer Plattform einkaufen." Und was den Kampf gegen gefälschte Produkte angehe, "tun wir so viel wir können."

Joe Tsai
Macher hinter den Kulissen: Joe Tsai öffnete für Jack Ma die Türen zu GroßinvestorenBild: alibabgroup.com

Doch da haben nicht nur die Hersteller westlicher Markenprodukte ihre Zweifel. Offenbar hatten die Behörden bereits im Juli 2014 das Alibaba-Management mit den Vorwürfen konfrontiert. Über die Frage, warum darüber nichts im Verkaufsprospekt stand, den das Unternehmen vor dem Börsengang veröffentlichte, wird in der Investment-Community weltweit heftig diskutiert.

Was nicht im Börsenprospekt stand

Falls wesentliche Informationen nicht im Verkaufsprospekt offengelegt worden seien, könnte es sogar zu juristischen Schritten gegen Alibaba und die Banken kommen, die den Sprung aufs Wall Street-Parkett betreut haben, meint Reena Aggarwal von der Georgetown University.

Wenn die Ermittlungen der SAIC im Verkaufsprospekt offengelegt worden wären, hätte es das Unternehmen viel schwerer gehabt, internationale und US-Investoren zum Zeichnen der Aktien zu bewegen, unterstreicht der New Yorker Wirtschaftspublizist Sam Hamadeh. "Ganz klar hätte das die 'Alibaba-Story' verändert. Man hätte Fragen gestellt auf der Roadshow", meint Hamadeh. Doch auf der Roadshow, auf der sich das Unternehmen potentiellen Großanlegern in den USA präsentierte, wurde ausschließlich die Erfolgsgschichte von Alibaba erzählt - von riesigen Chancen, Markt- und Kurspotential.

Wie viel wusste die Alibaba-Spitze und hat sie beim Börsengang etwas Wesentliches verschwiegen? Joe Tsai weist solche Spekulationen weit von sich. In einer Telefonkonferenz mit Anlegern, die auf der Internetseite des Senders Phoenix TV in Hongkong veröffentlicht wurde, gab er sich überrascht: "Zum ersten Mal nahmen wir den Bericht zur Kenntnis, als ihn die SAIC gestern online veröffentlichte."

Jack Ma Gründer von Alibaba
Siegerpose: Jack Ma beim Börsendebüt in Hong KongBild: picture-alliance/dpa

Auf die Frage, warum die Öffentlichkeit nichts von den Vorwürfen der SAIC vor dem Börsengang erfahren hat, wurde Tsai deutlich: "Ich will hier mit aller Klarheit sagen, dass Alibaba die SAIC nie aufgefordert oder gebeten hat, die Veröffentlichung von irgendeinem Bericht zu verschieben."

Seltsamerweise ist der SAIC-Bericht mittlerweile wieder von der Seite verschwunden. Über die Gründe gibt es erneute Spekulationen.