Osmanen-Rocker vor Gericht
26. März 2018Mehr als eintausend Polizisten rücken in der Dunkelheit fast geräuschlos vor. Am frühen Morgen des 13. März kreisen sie in drei Bundesländern Vereinsräume und Wohnungen von Mitgliedern der Rockergruppe Osmanen Germania ein. Umliegende Straßen sind aus Sicherheitsgründen abgesperrt. Die größtenteils türkischstämmigen Rocker gelten als gefährlich, weshalb sich Spezialkräfte an der Aktion beteiligen. Um sechs Uhr geben die Einsatzleiter das Signal zum Losschlagen. Zeitgleich stürmen die Polizisten in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen rund 60 Objekte. Ihr Ziel: die Sicherung von Beweisen organisierter Kriminalität und Hinweise auf die Organisationsstruktur der Osmanen.
Schon seit einiger Zeit hatten deutsche Behörden die 2015 in Hessen unter anderem von einem ehemaligen Hells-Angel-Rocker gegründete Gruppierung im Visier. Die Osmanen fielen auf, weil sie ihren Einflussbereich aggressiv ausdehnten. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppen. Dabei wurden Rivalen verletzt - auch von versuchtem Totschlag ist die Rede. Experten gehen davon aus, dass die Osmanen deutschlandweit etwa 300 Mitglieder haben. Die Rocker selbst sprechen von 2500 Mitgliedern in Deutschland, weltweit 3500. Sie sollen auch in der Türkei, Österreich, der Schweiz und Schweden Strukturen aufgebaut haben.
Kampfansage deutscher Sicherheitsbehörden
Insofern gleicht die Razzia in den drei Bundesländern, bei der Datenträger, Schriftstücke, Waffen und Drogen sichergestellt wurden, einer Kampfansage deutscher Sicherheitsbehörden, diese Macht- und Gebiets-Expansion nicht länger hinzunehmen. Nun legt die Justiz in Baden-Württemberg nach. In Stuttgart muss sich die mutmaßliche Führungsriege der Osmanen Germania nun vor Gericht verantworten. Angeklagt sind acht ihrer Mitglieder, darunter drei, die zur höchsten Führungsebene gerechnet werden.
Ihnen wird unter anderem versuchter Mord, versuchter Totschlag, Erpressung, Zwangsprostitution und Zuhälterei vorgeworfen. Aber die Ermittlungen haben auch eine politische Dimension: Das baden-württembergische Landeskriminalamt prüft Hintergründe des Konflikts zwischen türkischen und kurdischen Rockern. Die Osmanen Germania gelten als Vertreter eines radikalen türkischen Nationalismus, was sie von anderen Rockergruppen in Deutschland unterscheidet.
Werden Osmanen aus der Türkei gesteuert?
Es würde untersucht, ob die Osmanen Germania "politisch vom Ausland gesteuert" würden, erklärte der baden-württembergische Polizeichef Klaus Ziwey in einer Pressekonferenz. "Deshalb haben wir zum ersten Mal auch den Staatsschutz bei den Ermittlungen gegen diese Gruppierung ins Boot geholt." Konkret geht es um Kontakte der Rocker zur Union Europäisch-Türkischer Demokraten. Die UETD gilt als inoffizielle Auslandsorganisation der konservativen AKP, der Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Ähnlich die Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. In einem schriftlichen Bericht für den NRW-Innenausschuss, der der Deutschen Welle vorliegt, heißt es, die Osmanen hätten sich "politisch positioniert" und würden im Internet "türkisch-nationalistische, teilweise auch rechtsextremistische Ansichten" vertreten. Ausdruck dessen seien Kontakte zwischen führenden Rockern und "Vertretern der AKP beziehungsweise der türkischen Justiz."
Finanzhilfe für Rocker aus der Türkei
Weitere Details liefert der Chef des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen, Burkhard Freier. In einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen sagte er, die Organisation sei bei Demonstrationen, die die türkische Regierung unterstützten, "als eine Art Veranstaltungsschützer tätig." Noch schwerer wiegen die Vorwürfe des Innenministers des Bundeslandes, Herbert Reul. Er sprach im Landtag von Osmanen-Aktivitäten, die "sich auch gegen die PKK, linksextremistische Türken und die Gülen-Bewegung" richteten und von türkischen Behörden als "Terrorbekämpfung befürwortet" würden.
Gestützt werden diese Aussagen vom ZDF-Fernsehmagazin Frontal 21 und den Stuttgarter Nachrichten. Sie berichteten unter Berufung auf Abhör- und Observationsprotokolle deutscher Sicherheitsbehörden, dass ein AKP-Abgeordneter Geld an Führungskader der Osmanen übergeben ließ. Der Abgeordnete soll auch daran mitgewirkt haben, die Proteste gegen die Armenien-Resolution des Bundestages im vergangenen Jahr zu organisieren, an denen die Rocker beteiligt waren.
"Wir übernehmen das ganze Land"
Von all diesen Vorwürfen und der anscheinend erdrückenden Beweislast wollen die Osmanen Germania nichts wissen. Obwohl sie wie die Hells Angels oder Bandidos Lederwesten mit Klub-Abzeichen tragen, nach Ortsgruppen, so genanten Chartern, hierarchisch strukturiert sind, präsentieren sie sich nach außen als "Box-Club, der sich um Jugendliche kümmert." Dafür stünde das Kürzel BC hinter ihrem Klubnamen. Für Experten und Verfassungsschützer sind die Osmanen Germania BC dagegen eine Gruppe von Kriminellen mit Migrationshintergrund, von der die meist deutschen sogenannten Altrocker zunehmend verdrängt werden.
Im Internet geben sich die Osmanen siegessicher und martialisch. In einem Youtube-Video ballen schwarzgekleidete Bodybuilder-Typen, die ebenso breit wie groß wirken, ihre Fäuste, halten Pistolen und Pumpguns in die Kamera. Zum harten Beat rappt eine tiefe Stimme drohend "Wir übernehmen das ganze Land". Bis zum "letzten Tropfen Blut" kämpften "Krieger ohne Angst", immer bereit, "sich für ihre Brüder eine Kugel zu fangen". Auf dem Hintergrundbild des Facebook-Profils des Charters von Heilbronn prangt der Spruch "Feinde kommen und gehen, doch wir sind loyal und bleiben stehen!!!" Bleibt abzuwarten, ob diese selbstbewussten Lippen-Bekenntnisse den Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden standhalten.