Geraldo will laufen
Wer in Westafrika eine Behinderung hat, hat es schwer. Fehlstellungen gelten als Fluch, Orthopäden sind oft hunderte Kilometer entfernt. Mobile Scanner und 3D-Drucker könnten helfen. Ein Projekt in Togo probiert es aus.
Geraldo muss zum Arzt
Geraldo (6) hat seit seiner Geburt eine Fehlstellung am rechten Fuß. Er knickt beim Auftreten um und kann nicht rennen. Regelmäßig begleiten seine Mutter Fidéle Togbe und sein kleiner Bruder Wilkinson ihn in das nationale Orthopädie- und Rehabilitatszentrum (CNAO) in Lomé, der Hauptstadt von Togo.
Schwere Abdrücke aus Gips
Seit 1974 lernen Patienten im CNAO etwa nach Unfällen wieder das Laufen. Außerdem werden Prothesen und Orthesen erstellt und angepasst. Doch das ist mühsam: Die Technik ist veraltet, das Material steif, und Patienten müssen mehrfach zur Anprobe kommen. Wer nicht in der Hauptstadt wohnt, hat dazu kaum eine Chance.
Kein Einkommen mehr nach dem Unfall
Dabei ist schon der Alltag mit Behinderung anstrengend genug. Koudahé Adjovi erzählt: "Seit meinem Unfall 2012 kann ich nicht mehr arbeiten, weil mir das Laufen so schwer fällt. Ich habe kein Einkommen mehr." Im CNAO bekommt sie deshalb eine Orthese - eine Art Schiene, die beim Geraderichten eines Fußes, Beins oder Arms hilft. Ihre Orthese wird noch auf die herkömmliche Art hergestellt.
Prothesen und Orthesen aus dem 3D-Drucker
Geraldo gehört jedoch zu einer Versuchsgruppe von 100 Patienten, die die Hilfsorganisation Handicap International in drei Ländern ausgewählt hat. Neben Togo untersuchen die Mitarbeiter auch in Mali und Niger, wie mithilfe von 3D-Druckern in Westafrika Orthesen hergestellt werden können.
Die Technik reist zum Patienten
Für Geraldo ist das angenehm. Statt mit Gips einen Abdruck anzufertigen, scannt Orthopädietechnik-Mechanikerin Enyonam Ekpoh sein rechtes Bein. Die Daten werden sofort auf den Laptop übertragen. Das Equipment ist leicht und kann von ausgebildetem Personal theoretisch überall eingesetzt werden, etwa in abgelegenen Regionen oder Kriegsgebieten.
Korrekturen per Mausklick
Der Scan des rechten Beins kommt direkt auf dem Bildschirm von Atsu Afetse an. Der Orthopädietechnik-Mechaniker arbeitet für die Afrikanische Organisation für die Entwicklung von Zentren für Behinderte (OADCPH), die Partner von Handicap International ist. Per Mausklick nimmt er Korrekturen vor und erstellt die Druckvorlage.
Eine Orthese entsteht
Im Nachbarraum überprüft Djodj Fabrice Agbelehounko ein letztes Mal die Vorlage. Ist dem Techniker etwas unklar, dann bespricht er sich mit seinen Kollegen. Letzte, kleine Änderungen sind noch möglich. Sind alle Fragen geklärt, startet er den 3D-Drucker und kontrolliert den Druckvorgang.
Zehn Stunden summt der 3D-Drucker
Der 3D-Drucker arbeitet, die Orthese aus weichem Kunststoff nimmt Gestalt an. Seit Projektbeginn hat Techniker Agbelehounko bereits 18 Schienen hergestellt. "Es ist beeindruckend", sagt er. "Auf einmal macht es für Patienten keinen Unterschied mehr, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen". Denn die Scans können von überall her geschickt werden, wenn die Internetverbindung stimmt.
Die letzten Handgriffe
Zurück im CNAO in Lomé: Bevor der kleine Geraldo die Orthese mit nach Hause nehmen kann, polstert Orthopädietechnik-Mechanikerin Enyonam Ekpoh sie gut aus und befestigt zwei gelbe Laschen. Sie sorgen dafür, dass beim Tragen nichts verrutscht. Wie hoch die Gesamtkosten sind und wie gut sich die Prozesse auch in entlegenen Gebieten umsetzen lassen, wird sich im Lauf der Testphase herausstellen.
Eine Schiene für Geraldo
Geraldos Orthese ist fertig, passt und wird in den kommenden Monaten dafür sorgen, dass er auch mit dem rechten Fuß normal auftreten kann. Für seine Mutter Fidéle Togbe eine große Erleichterung: "Er wird Fußball spielen können und nicht mehr von anderen Kindern gehänselt werden." Das Projekt von Handicap International läuft noch bis Ende des Jahres. Die Organisation hat die Recherche unterstützt.