Georgien erwägt Austritt aus der GUS
5. Mai 2006Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili hat in Tiflis vor Journalisten erklärt, Georgien könnte möglicherweise aus der GUS austreten. Er sagte: „Wir prüfen tatsächlich ernsthaft die Frage, ob es sich lohnt, in der GUS zu verbleiben, und zwar nicht wegen einer Konfrontation, sondern weil die Mitgliedschaft in der GUS ihren Sinn verloren hat. Zwei Vorteile einer solchen Mitgliedschaft sind ein freier Markt und ein visafreier Reiseverkehr. Georgien hat eine Freihandelszone mit der Ukraine, Kasachstan, Armenien, Aserbaidschan und praktisch mit allen Mitgliedern der GUS, außer mit Russland. Was haben wir mit Russland? Verschiedene Handelsbeschränkungen und Visabestimmungen, dazu noch sehr strikte.“
Parlament soll mitentscheiden
Saakaschwili will aber nicht überstürzt über einen Austritt Georgiens aus der GUS entscheiden. Er unterstrich: „Wir müssen diese Frage im Parlament erörtern. Die Notwendigkeit, die Verbindungen zu kappen, besteht nicht, aber das Problem besteht darin, dass innerhalb mehrerer Monate Georgien keinen einzigen Punkt auf die Tagesordnung der Beratungen im Rahmen der GUS setzen konnte. Wir hatten nicht die Möglichkeit, einen offenen Dialog zu führen und den eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Wir wollen keine unüberlegten Schritte unternehmen. Deswegen wollen wir diese Frage im Parlament erörtern und die Meinung der Öffentlichkeit hören. Der endgültige Beschluss darf nicht von einer Person getroffen werden.“
Burdschanadse fordert neue Kaukasus-Politik
Da keine Meinungsumfragen vorliegen, ist es schwierig zu bewerten, wie die georgischen Bürger über einen möglichen Austritt ihres Landes aus der GUS denken. Bekannt sind nur Meinungen einiger Vertreter der politischen Elite Georgiens, beispielsweise der Parlamentsvorsitzenden Nino Burdschanadse: „Die GUS ist für Georgien nichts. Die Gemeinschaft wurde gegründet als Versuch, das Imperium wiederherzustellen.“
Nach Burdschanadses Ansicht erwartet Georgien von Russland lediglich gleichberechtigte und für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen. Diese könne man nur mit gemeinsamen Anstrengungen aufbauen: „Jede Eskalation ist unberechenbar. Wir brauchen mit Russland eine neue Kaukasus-Politik. Die neue Politik muss die Bewahrung von Frieden, Stabilität und normaler Beziehungen in einer ziemlich komplizierten Region beinhalten. Ich denke, dass die Situation sich ändern muss, weil das, was derzeit in den russisch-georgischen Beziehungen passiert, einfach nicht normal ist. Das sind unnormale und sehr komplizierte Beziehungen. Aber um Probleme zu lösen, braucht man guten Willen auf beiden Seiten, wie auf der georgischen so auch auf der russischen Seite.“
Oksana Jewdokimowa, zurzeit Tiflis
DW-RADIO/Russisch, 4.5.2006, Fokus Ost-Südost