Geldstrafe für blanke Brüste im Dom
3. Dezember 2014Der inzwischen emeritierte Kardinal Joachim Meisner feierte am 25.Dezember 2013, seinem 80. Geburtstag, die Weihnachtsmesse, als sich im Dom zu Köln Unerhörtes ereignete: Nur mit einer Art Lendenschurz bekleidet sprang die Femen-Aktivistin Josephine Witt auf den Altar. Auf ihrem entblößten Oberkörper stand: "Ich bin Gott". Lautstark skandierte die damals 20-Jährige antireligiöse Parolen.
Die aus der Ukraine stammende Gruppe Femen setzt sich mit häufig spektakulären Aktionen - dabei immer barbusig - für Frauenrechte ein und kämpft gegen Sexismus. Witt war nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr bei drei weiteren Femen-Aktionen dabei. In Tunesien hatte sie im Juni 2013 halbnackt gegen die Festnahme einer tunesischen Femen-Frau demonstriert und war zu vier Monaten Haft verurteilt worden, wovon sie 29 Tage absaß.
Politische Motive
Zum Nachspiel vor dem Kölner Amtsgericht erschien die Studentin der Zahnmedizin jetzt sittsam bekleidet, der Jahreszeit angemessen mit Schal, Jacke und Kapuzenpulli. Die Haare hatte sie zu einem braven Pferdeschwanz gebunden. Den Namen Josephine Witt hat sie sich ausgedacht, eigentlich heißt sie anders. Ihre Tat nannte sie allein politisch motiviert. Es sei ihr nicht primär darum gegangen, den Gottesdienst zu stören, sondern eine Botschaft für die Rechte der Frauen, für Frieden und Versöhnung zu verbreiten. Daher habe sie vor dem Protest auch die Stiefel ausgezogen, um niemanden zu verletzen, und sich anschließend widerstandslos wegführen lassen, sagte Witt.
"Grobe Störung der Messe
Richter Gerd Krämer sah dies anders. Mit ihrer "zielgerichteten, ideologischen Meinungsäußerung" habe de Angeklagte "den Gottesdienst absichtlich und in grober Weise gestört". Besonders, dass sie auf ihre nackte Brust die Worte "Ich bin Gott" geschrieben habe, habe die Gläubigen und die Geistlichen schockieren müssen, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.
Die ungehinderte Ausübung der Religion ist in Artikel 4 des Grundgesetzes geschützt. Störung der Religionsausübung kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Mit dem Strafmaß von 60 Tagessätzen a 20 Euro blieb das Amtsgericht unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Geldstrafe in Höhe von 1.600 Euro. Die Verteidigerin der Angeklagten hatte auf Freispruch plädiert.
Meissner war auf die Aktion in seinem Weihnachtshochamt eingegangen und hatte unter dem Applaus der Gläubigen gesagt, die junge Frau habe Gottes Segen gewiss besonders nötig. Dompropst Norbert Feldhoff begrüßte das Urteil: "Wir sind der Meinung, dass die ungestörte Religionsausübung - unabhängig ob von Christen, Juden oder Muslimen - ein wichtiger Bestandteil des friedlichen Miteinanders in der Gesellschaft ist."
wl/re (dpa, afp, kna, epd)