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Geheimnisse der "FIFA-Familie"

Joscha Weber30. Mai 2015

And the winner is: Blatter. Wer verstehen will, warum das trotz der neuen Enthüllungen um korrupte Funktionäre möglich ist, muss beim FIFA-Kongress genau hinhören, wie die FIFA-Seele tickt. Unser Reporter hat das getan.

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FIFA Kongress Stimmenauszählung
Stimmenauszählung beim FIFA-Kongress: am Ende gewinnt wieder Amtsinhaber BlatterBild: Reuters/R. Sprich

Mittagspause. Man labt sich am Buffet und vertritt sich die Beine. Ein paar Delegierte aus Afrika treten aus einer Hintertür des Züricher Hallenstadions. In der prallen Sonne stehen sie zusammen und immer wieder fällt eine Name: "Blatter". Man nickt sich zu, man ist sich einig, so scheint es. Freundlich angesprochen, wie die Stimmung in der viel beschworenen "FIFA-Familie" sei, antworten die Herren unisono: "No comment". Nächster Versuch: Wem bei der Wahl zum FIFA-Präsidenten ihre Sympathien gehören? Kopfschütteln. "We don't answer, sorry." Die FIFA schottet sich ab, mal wieder.

Einer will dann aber doch sprechen: George Kwasi. Ein großgewachsener kräftiger Mann in einem sandfarbenen Anzug. Er vertritt den Fußballverband Ghanas und hat eine ziemlich klare Position zu den Anschuldigungen gegen die FIFA: "Die Medien blasen diese Sache doch völlig auf. Sie machen zu viel Lärm um diese Geschichte", sagt er sichtlich erregt, "überall auf der Welt werden Verbrechen begangen, nicht nur hier in der FIFA. Es waren Individuen, die betrogen haben, nicht die FIFA." Alles nur Einzelfälle. So sieht man das hier. Angesprochen auf die Tatsache, dass sich die "Einzelfälle" von korrupten FIFA-Funktionären in den letzten Jahren ziemlich häufen, räuspert sich Kwasi. "Das stimmt. Und dennoch: Es ist nicht die Institution, die korrupt ist. Das ist es, was der Präsident gesagt hat." Den letzten Satz wiederholt der afrikanische Delegierte ziemlich oft während dieses Gesprächs. Was Blatter sagt, ist immer noch das Gesetz in der FIFA.

"Das Alter ist nicht entscheidend"

FIFA Kongress Sepp Blattter jubelt (FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images)
Genugtuung für Blatter, er bleibt bis 2019 FIFA-ChefBild: AFP/Getty Images/F. Coffrini

Das zeigt sich wenig später auch bei der Wahl des FIFA-Präsidenten. Als nach endlosen Berichten, Werbefilmchen und weiteren Belanglosigkeiten endlich die Abstimmung ansteht, wird klar: Blatters Rückhalt war zwar schon einmal größer, aber die große Mehrheit hat er hinter sich. Im ersten Wahlgang erhält er 133 Stimmen, sein Herausforderer Prinz al-Hussein 73 und gibt kurz danach auf. Blatter betritt nun mit diesem, ihm eigenen schelmisch-verschmitzten Lächeln die Bühne: "Ich danke Ihnen, dass ich weiter Kapitän sein darf", freut sich der Schweizer und fährt keck fort: "Das Alter ist nicht entscheidend. Es gibt Leute, die 50 sind, die alt aussehen. Das tut mir leid." Er gehört auch mit 79 Jahren zu den Junggebliebenen, das ist seine Botschaft. Der ewige Blatter.

Ihn scheint nichts aufhalten zu können, bisher nicht einmal die staatsanwaltschaftlichen Korruptions-Ermittlungen in den USA und der Schweiz gegen hochrangige FIFA-Kollegen. "Gott soll uns helfen, die FIFA dahin zurückzubringen, wo sie hingehört. Ich verspreche Ihnen, dass ich am Ende meiner Amtszeit eine starke FIFA an meinen Nachfolger übergebe", sagt er nun sichtlich gelöst, nicht ohne etwas Triumphgehabe: In einem Nebensatz stellt er in Aussicht, bald 30 Mitglieder in das Exekutivkomitee zu berufen und damit kleinere Nationen zu stärken. "Das wäre echte Solidarität", begründet er. Natürlich ist es ein Seitenhieb gegen die oppositionelle Europäische Fußball-Union (UEFA) um ihren Präsidenten Michel Platini, die so im wichtigsten FIFA-Gremium Macht verlieren dürfte. Etwas Rache muss offenbar sein.

Die Milliarden der FIFA

Bei den vielen kleinen Verbänden kommen solche Versprechen an. Noch wichtiger ist der "FIFA-Familie" allerdings Geld. Das weiß Blatter. Die Zahlen, die seine Entourage präsentiert, sind gut, sehr gut sogar, und sie sprechen für den Präsidenten. Blatter kann bei seinem Wahlvolk mit enormen Einnahmen punkten – und vor allem mit den daraus resultierenden Zuwendungen an die Nationalverbände. Schwindelerregende 3,9 Milliarden US-Dollar konnte die FIFA in den vergangenen vier Jahren in Fußball-Events investieren – dank weiter steigenden Einnahmen aus TV-Verträgen und Marketing-Geschäften. 2,2 Milliarden entfielen dabei auf die WM 2014 in Brasilien, aber auch eine Milliarde auf Entwicklungsprojekte. Und nicht zu vergessen: Die FIFA verfügt über ein prall gefülltes Konto mit aktuell 1,5 Milliarden US-Dollar an Rücklagen. Zahlen, auf die die FIFA stolz ist, Zahlen, die in der FIFA das entscheidende Wahlargument pro Blatter sind. "Die FIFA ist kein kleiner Verein mehr. Die FIFA ist ein Konzern geworden", tönt Blatter und schmeichelt den Delegierten, indem er sie als Aktionäre bezeichnet. Es sind diese kleinen Gesten, mit denen er gewinnt - Sympathien und Stimmen.

FIFA Kongress Blatter Platini
Vorteil Blatter: UEFA-Chef Platini muss gratulierenBild: P. Schmidli/Getty Images

Was der Präsident selbst verdient, dazu schweigt man hingegen bei der FIFA. "Wir veröffentlichen es (das Gehalt Blatters, Anm. d. Red.) vor allem deshalb nicht, weil wir es nicht müssen", sagte FIFA-Finanzchef Markus Kattner kürzlich bei Bloomberg. Vor diesem Hintergrund wirken manche von Blatters Aussagen befremdlich: "Wir wollen Transparenz", so Blatter, der auch mit weiteren Einlassungen Lachen auf der Medien-Tribüne auslöst: "Das Schiff FIFA muss wieder in einen ruhigen Hafen gelangen. Die FIFA braucht Sie alle." Blatter beschwört den Saal, auch mit dem Versuch eines kollektiven "Handschlags für den Frieden", was auch immer der bedeuten soll. Die FIFA, seine FIFA, soll wieder in Ruhe arbeiten dürfen, ist seine Botschaft. Ganz so als habe es die Festnahmen und Durchsuchungen wegen Korruption nicht gegeben.

Erkenntnisse des FIFA-Kongresses

Negieren, kleinreden, umdeuten. Blatters Strategie im Umgang mit dem jüngsten Skandal ist klar: "Wir können nicht zulassen, dass der Ruf der FIFA durch den Dreck gezogen wird. Denn diejenigen, die schuldig sind, sind Einzelne. Nicht die Gesamtorganisation." Die politische Verantwortung für die Affäre lehnt er ab – und kommt damit durch, zumindest vor seiner "FIFA-Familie".