Gehiemdienste weniger geheim
7. Juli 2013"Geheim, intransparent und unkontrolliert" - so nimmt der Deutsche die Nachrichtendienste in seinem Land wahr, glaubt der Pressesprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Bodo W. Becker. "Es gibt diverse Zerrbilder." Und die reichen vom Dunkelmänner-Image mit Schlapphut und hochgeklappten Trenchcoat-Kragen bis hin zum Nachrichtendienstler, der sich in unschönen Milieus umtut. "Schillernd" sei das Bild, das bei den meisten vorherrscht, sagt Becker. Und teilweise eben auch falsch. Die drei bundesdeutschen Nachrichtendienste - Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abwehr-Dienst (MAD) - haben sich deshalb mehr Transparenz verordnet.
Der Präsident des Militärischen Abwehr-Dienstes, Ulrich Birkenheier, kündigte im Februar diesen Jahres an, dass künftig eine Pressestelle eingerichtet werden soll. Damit geht der Dienst einen Weg, den der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz schon vor einigen Jahren gegangen sind. Doch auch die wollen sich noch stärker öffnen.
Konsequenz aus NSU-Pannen
Nicht zuletzt wegen der Pannen bei den NSU-Morden stehen die Nachrichtendienste in der Kritik. Jahrelang hatten die Mitglieder der rechtsextremistischen Terrorzelle gemordet, Brandanschläge und Raubüberfälle verübt. Verfassungsschutz und Polizei waren ihnen nicht auf die Schliche gekommen, wohl auch deshalb, weil Informationen nicht weitergegeben, Akten vernichtet oder Ergebnisse falsch interpretiert wurden. Auch nachdem der NSU aufgeflogen war, landeten relevante Akten im Reißwolf.
Nun wurden Konsequenzen gezogen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich stellte am Mittwoch (03.07.2013) erste Ergebnisse einer Reform vor. Demnach soll es neue einheitliche Regeln für den Umgang mit Akten geben: Erst nach mehrmaliger Prüfung dürfen sie geschreddert werden. Zudem soll auch der Austausch zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln und den 16 Landesämtern verbessert werden.
Die Änderungen sollen sich auch in der Öffentlichkeitsarbeit widerspiegeln. "Ein Gedanke war, dass ein reformiertes Bundesamt für Verfassungsschutz auch eine andere, aktivere Kommunikation zu seiner Arbeit leisten soll: Was tun wir, wie tun wir das, was sind die Ergebnisse und Erfolge unserer Arbeit und wie wird Verfassungsschutz kontrolliert?", erklärt Pressesprecher Becker die Strategie. Die Behörden bieten nun Hintergrundgespräche mit Journalisten, Broschüren, Wanderausstellungen und Besuche von Schulklassen an.
Erbe aus dem Kalten Krieg
Für Historiker Wolfgang Krieger ist die Abneigung der Deutschen gegenüber den Geheimdiensten in der Geschichte begründet. "Das liegt zum einen an den Pannen, die passiert sind und zum anderen vor allem an der Zeit des Kalten Krieges, als die westdeutschen geheimen Nachrichtendienste sehr stark im Kreuzfeuer der ostdeutschen Staatssicherheit standen", erklärt der Geschichtsprofessor der Universität Marburg. Der Geheimdienst der DDR, die Stasi, habe einen unsichtbaren Dauerkrieg gegen die westdeutschen Geheim- und Nachrichtendienste geführt. "Das heißt Kritik, Schwachpunkte oder Probleme wurden der westdeutschen Presse in einer Weise zugespielt, die nicht erkennen ließ, dass es sich hier um die Staatssicherheit handelte. Und dieses Image ist irgendwie kleben geblieben - auch mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer", so Krieger im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick auf Nachbarländer. In Großbritannien etwa werde der Geheimdienst viel stärker von Öffentlichkeit, Politik und Medien akzeptiert - mit politischen Folgen: Die parlamentarische Kontrolle ist deutlich schwächer als in der Bundesrepublik. "Aber das scheint die Öffentlichkeit nicht zu stören. Man sagt: Gut, diese Leute verteidigen das Vereinigte Königreich und dabei muss man sie unterstützen und sie müssen ihren Job machen", sagt Krieger. Auch die USA und Frankreich seien ihren Nachrichtendiensten eher freundlich gesonnen, zumindest wenn ihre Arbeit das Ausland betreffe. "Deswegen hat das, was mit Snowden in die Diskussion gekommen ist, in den USA relativ wenig Wellen geschlagen", kommentiert Historiker Krieger die Enthüllungen von Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden zu den Ausspähungen des amerikanischen Geheimdienstes NSA.
Transparenz? Ja, aber….
Die neu verordnete Offenheit der Behörden hat aber auch seine Grenzen. So stritt sich ein Bild-Journalist erst im Februar mit dem BND vor dem Bundesverwaltungsgericht - und verlor. Er wollte Informationen zur NS-Vergangenheit der Behörde, die zur Zeit von einer Historikerkommission aufgearbeitet wird. Doch Informationen darüber wird es vorerst nicht geben. Die Daten sind einfach noch nicht griffbereit, erklärte der Auslandsnachrichtendienst.