Geheimdienste: Vertrauen ist schnell verloren
16. Mai 2017DW: Bei seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow soll US-Präsident Donald Trump Informationen weitergegeben haben, die wichtige Quellen im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Gefahr bringen könnten. Dies berichten die Washington Post und die New York Times, zwei renommierte US-Zeitungen. Das Weiße Haus gibt die Informationsweitergabe grundsätzlich zu, streitet die weiter gehenden Vorwürfe jedoch ab. Wem sollte man nun Glauben schenken?
Irwin Collier: In diesem Fall haben – zumindest oberflächlich betrachtet – wahrscheinlich beide Seiten recht. Das Weiße Haus sagt, dass der Präsident keine Geheimdienstmethoden oder Quellen offen gelegt hat. Das stimmt sicher auch. Aber der Präsident hat geheime Informationen preisgegeben, aus denen Rückschlüsse gezogen werden können über Quellen und Beobachtungsmethoden der Geheimdienste.
Das ist auch der Vorwurf der Washington Post. Deren Artikel basiert auf sehr starken Quellen. Ein Zitat in dem Stück weist darauf hin, dass die Reporter Zugang hatten zu einem Transkript von dem Gespräch. Es gibt also ein Protokoll des Gesprächs mit Lawrow.
Die Geheimdienst-Ausschüsse im Senat und Abgeordnetenhaus könnten dieses Transkript nun anfordern, um zu sehen, was tatsächlich gesagt wurde.
Donald Trump soll Informationen weitergegeben haben, die nicht vom US-Geheimdienst stammen, sondern von den Nachrichtendiensten verbündeter Länder. Könnte das Auswirkungen haben auf die Beziehung zwischen den USA und deren Verbündeten, zum Beispiel Deutschland, was die Geheimdienstkooperation angeht?
Absolut. Lassen Sie es mich so sagen: Als Bauunternehmer ist es Donald Trump gewöhnt, mit dem Geld anderen Leute zu arbeiten. Er hat sich Geld für Projekte geliehen, ist Risiken eingegangen, bei denen vor allem Investoren Verluste getragen hätten. Nun geht er ähnlich leichtfertig um mit den Geheimdienstinformationen anderen Leute, anderer Länder, um. Und das wird Konsequenzen haben.
Das Vertrauen anderer Länder zu gewinnen, ist sehr schwer; aber es zu verlieren, ist ganz einfach.
Im Präsidentschaftswahlkampf hat Donald Trump seine Kontrahentin Hillary Clinton scharf angegriffen, weil sie einen privaten Email-Server benutzt hat. Er warf ihr vor, als Außenministerin zu leichtfertig mit als "geheim" eingestuften Informationen umgegangen zu sein. Wird sich das nun rächen?
Es ist schon offensichtlich, dass es da Parallelen gibt. Das ist schon ein Fall von Steine aus dem Glashaus werfen.
"Lock her up" - sperrt sie ein, war ein beliebter Schlachtruf bei Trump-Unterstützern während des Wahl. Hillary Clinton sollte wegen der Email-Affäre strafrechtlich verfolgt werden. Hat denn nun Trump vielleicht ein Strafverfahren zu fürchten?
Der Präsident ist dazu autorisiert, festzulegen, welche Informationen als geheim zu halten eingestuft werden, und welche nicht. Niemand wirft dem Präsident also vor, ein Verbrechen begangen zu haben. Vielmehr lautet der Vorwurf, dass er seine Macht missbraucht hat.
Hätte allerdings jemand, der für den Präsidenten arbeitet, so gehandelt wie Trump, dann könnte derjenige seine Sicherheitsfreigabe verlieren, entlassen werden oder sogar zu bis zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt werden wegen Weitergabe streng vertraulicher Informationen.
Irwin Collier ist Professor für Wirtschaft am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin