"Gefällt mir": Rassismus
27. März 2013Unter dem Motto "offen, tolerant, solidarisch" begeht die Stadt Frankfurt am Main im Herbst 2012 die "Interkulturellen Wochen". Bei der Eröffnung erschallt indessen dröhnende Techno-Musik, und drei maskierte Aktivisten sprengen die Veranstaltung. Wild zu den pumpenden Bässen tanzend halten sie auf einem Schild ihre Botschaft in die mitlaufende Kamera eines vierten Komplizen: "Multikulti wegbassen." Kurze Zeit später ist die Aktion bereits auf Youtube zu "bewundern" - dort verzeichnet sie mittlerweile über 24.000 Klicks.
Die öffentlichkeitswirksame Aktion geht auf das Konto der "Identitären Bewegung", die seit dem vergangenen Jahr mit derartigen "Spaßaktionen" in Deutschland auf sich aufmerksam macht. "100 Prozent Identität - 0 Prozent Rassismus" versprechen die "Identitären" auf ihrer Homepage, um zugleich "den Schutz unseres Kontinents vor Überfremdung, Massenzuwanderung und Islamisierung" zu fordern. Über 4000 mal klickten Internetnutzer auf der Facebook-Seite der Identitären auf "Gefällt mir".
"Sie sind klar rassistisch ausgelegt"
Identität, oder genauer gesagt, die angeblich deutsche Identität, ist der Fixpunkt dieser Bewegung, die ihre Ursprünge in Frankreich hat. Ihr Schlachtfeld ist vor allem das Internet mit den Plattformen Facebook und Youtube. Die Identitären geben sich modern, vermeintlich witzig und rühmen sich, angebliche gesellschaftliche Missstände öffentlich zu benennen. Eine geschickte Strategie attestiert Johannes Baldauf von der Amadeu Antonio-Stiftung den Identitären: "Das ist ein sehr professioneller Auftritt, er ist sehr ansprechend und enthält unglaublich viele popkulturelle Referenzen, die vor allem für Jüngere verständlich sind."
Mehrmals wöchentlich erscheinen auf der Internetseite mit viel Pathos versehene Beiträge, die tatsächlich auch gut geschrieben sind - unterstützt durch Multimedia und ein ansprechendes Design. Angeprangert werden unter anderem die angebliche Political Correctness mit ihren Sprachverboten und angeblich "deutschfeindliche" Gewalttaten von "Ausländern". "Wir sprechen das aus, was alle denken", behaupten die "Identitären" auf ihrer Homepage. Rassismus weisen die Identitären weit von sich. Der Rechtsextremismusexperte Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf sieht das jedoch ganz anders: "Sie sind ganz klar rassistisch ausgelegt. Es wird massiv Front gemacht gegen unsere multikulturell verfasste Einwanderungsgesellschaft. Kritisiert wird vor allem die angebliche Islamisierung Deutschlands."
Völkische Endzeitszenarien
Der Blick auf die Homepage der Identitären verrät mehr. "Wir sind die identitäre Generation", stellen die Autoren der Seite fest und erklären sich zu Mahnern vor der angeblichen muslimischen Gefahr. Alexander Häusler meint dazu: "Hier werden völkische Endzeitszenarien verbreitet. Die Botschaft ist: 'Wir sind die letzte Generation, die die Gefahr abwenden kann, bevor das so genannte identitäre Deutschland ausstirbt'."
In ihrer Symbolik halten sich die "Identitären" an eine faschistoide Ästhetik. Als Logo dient der griechische Buchstabe Lambda auf gelbem Grund: genau wie bei den 300 spartanischen Soldaten, die im Hollywoodfilm "300" die Perser am Thermophylenpass aufhalten wollen. Diese Symbolik verleiht den "Identitären" einen hohen Wiedererkennungswert. Immer wieder taucht auf der Homepage, der Facebook-Seite und den Internetvideos das Lambda-Symbol auf. Die "Identitären" versuchen, "im Internet ihre Anker zu setzen", wie Häusler betont.
Plumpe rassistische Hassparolen sucht man bei den "Identitären" (fast) vergebens. Vielmehr betrachten sie die Deutschen als Opfer eines "antideutschen Rassismus". In ihrer Ideologie greifen die "Identitären" jedoch tief in die Mottenkiste der Neuen Rechten: "Ethnopluralismus" nennt sich das bekannte Konzept. Johannes Baldauf, der sich mit der Amadeu Antonio Stiftung beim Projekt www.no-nazi.net gegen Rechtsextremismus engagiert, erklärt die Zielsetzung der "Identitären" so: "Sie fordern, dass jedes Volk, oder sagen wir Ethnie, für sich bleiben soll. Vor allem soll es keine Vermischungen geben." Das "Manifest" der "Identitären", das ebenfalls in einem aufwendig gemachten Video im Internet zu sehen ist, bestätigt diese Annahme: "Wir sind die Generation der ethnischen Brüche, des totalen Versagens von Koexistenz und der erzwungenen Vermischung von Rassen", heißt es dort.
Im Schutz der Anonymität
Das Internet stellt eine perfekte Plattform für die Verbreitung rechten und fremdenfeindlichen Gedankenguts dar. Auch andere rechte Gruppierungen haben dies längst erkannt. Die "Identitären" allerdings versuchen, den Fremdenhass besonders subtil gesellschaftsfähig zu machen - unter anderem mit als "Spaß" getarnten Aktionen, die in den sozialen Medien für Aufmerksamkeit sorgen. Sogar den YouTube-Gag "Harlem Shake" machen sie sich zu eigen. Manchmal sieht man die Maske fallen, etwa wenn auf der Website über eine "von Gewalt, Hass, Primitivismus, Kriminalität und Islamismus geprägten Ghetto-Subkultur der migrantischen Jugendlichen" zu lesen ist. Der Sinn des Ganzen ist, wie Alexander Häusler zusammenfasst, unterschwellig "den Rassismus wirkungsvoller zu verbreiten."
Stellt sich die Frage, wer sich im Schutze der Anonymität des Internets hinter den "Identitären" verbirgt. Alexander Häusler zählt eine große Schar von Beteiligten auf, die bei dieser "Graswurzelbewegung" mitmachen, darunter neonazistische Verbindungen, ehemalige NPD-Mitglieder und auch die islamfeindliche German Defense League sowie die rechte Partei Pro NRW. Einen organisatorischen "Anker" hätten die "Identitären" bislang allerdings nicht gefunden, so Häusler. Ob hier eine Gefahr für die Gesellschaft heranwächst, ist bislang nicht abzuschätzen. Beim Verfassungsschutz Bremen wird derzeit geprüft, ob die "Identitäre Bewegung" überwacht werden soll. Letztlich muss allerdings jeder Internetnutzer selbst aufpassen, nicht den rechten Rattenfängern auf den Leim zu gehen.