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Gefährliche "No-Go-Areas" für dunkelhäutige WM-Besucher

Tina Gerhäusser 17. Mai 2006

Der Afrika-Rat und die Internationale Liga für Menschenrechte wollen kurz vor der WM 2006 Vorsichtsmaßnahmen für dunkelhäutige WM-Gäste veröffentlichen. Wie fremdenfeindlich ist das WM-Gastgeberland tatsächlich?

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Aktion von Fußballern gegen Rassismus in und außerhalb von StadienBild: AP

Jetzt ist die öffentliche Aufmerksamkeit da, die sich Moctar Kamara so lange schon für seine Sache wünscht: Der Vorstand des Afrika-Rates - ein 2005 gegründeter Dachverband für rund 25 Verbände und Initiativen der afrikanischen Diaspora in Berlin und Brandenburg - möchte, dass sich Deutschland ernsthaft mit dem Thema Rassismus auseinandersetzt. Bisher hat kaum jemand auf die Pressemitteilungen seines Vereins reagiert. Doch jetzt hat die Idee, "No-Go-Areas" für dunkelhäutige WM-Gäste zu benennen, eine Medien-Lawine ausgelöst.

Immer wieder muss der gebürtige Afrikaner Kamara erklären, was es mit der Liste mit den "No-Go-Areas" – Gegenden, die man meiden sollte - auf sich hat: "Wir möchten nicht diese WM verderben, das ist klar, wir freuen uns auf die WM. Aber es muss etwas getan werden gegen diese Welle von Gewalt gegen Schwarze - besonders bei der WM. Denn es kommen Leute, die keine Ahnung haben: die meinen, die können sich frei bewegen, überall hingehen. Und es könnte diesen Menschen was passieren, das wollen wir einfach verhindern."

Bedrohung gehört schon zum Alltag

Kamara vom Afrika-Rat will mit der Aktion vor allem deutsche Politiker wachrütteln. Sie unterschätzen in seinen Augen, dass die fremdenfeindliche Bedrohung - angefangen von verbalen Beleidigungen bis hin zu brutaler körperlicher Gewalt - für viele Afrikaner in Deutschland zum Alltag gehört: "Ich zum Beispiel als Berliner: Wo ich wohne ist es total gut, aber in bestimmte Bezirke werde ich nie um Mitternacht gehen", sagt er.

Welche Bezirke das sind, kann man erahnen, wenn man den Bericht "Rechte Gewalt in Berlin" liest, den der Berliner Innensenator im Dezember 2004 herausgegeben hat: Als Schwerpunkte geographischer Gewalt werden darin die Stadtteile Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow identifiziert - alle drei Bezirke liegen im Osten der Stadt.

"Verschwindend geringer Anteil"

Doch Marcel Kuhlmey von der Berliner Polizei hält die aktuelleren, jedoch geographisch unspezifischen Zahlen der jüngsten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) dagegen: "Wir warnen auch davor, bestimmte Bezirke zu stigmatisieren, indem man halt sagt, dort darf man sich nicht aufhalten, oder da darf man nicht hingehen. Wenn wir die Zahlen betrachten, so hatten wir in Berlin im letzten Jahr 65.000 Hoheitsdelikte - davon waren 52 mit rechtsextremistischem Hintergrund. Wenn wir uns die Anzahl der Bezirke in Berlin anschauen, so ist es ein verschwindend geringer Anteil je Bezirk, wo solche rechtsextremistischen Zahlen auftreten."

Fremdenfeindlichkeit zu messen und genau zu verorten, ist eine extrem schwierige und oftmals willkürliche Angelegenheit. Denn die Statistik beruht letztendlich darauf, was der einzelne Polizist als rassistisch und rechtsextrem definiert. Das volle Ausmaß der rechten Gewalt sei gar nicht bekannt, meint der Kriminologe Christian Pfeiffer.

"Wir sind alle alarmiert"

Pfeifer sieht in den jüngsten Zahlen der Berichte von Verfassungsschutz und Landeskriminalämtern einen Anhaltspunkt für wachsende Fremdenfeindlichkeit. "Wir hatten in den letzten Jahren bis 2004 rückläufige Zahlen. Und dann allerdings 2005 wieder einen Anstieg, über den wir nun etwas rätseln. Man weiß nicht ganz genau, beruht der Anstieg darauf, dass die Kontrolldichte der Polizei sich erhöht hat, dass man Fälle, die früher nicht so eindeutig definiert worden sind, heute eher dem rechtsradikalen Spektrum zurechnet, oder ist es tatsächlich eine Erhöhung des Risikos. Also da, denke ich, kann man im Augenblick noch kein sicheres Urteil angeben. Aber auf jeden Fall sind wir alle alarmiert, weil der gute Trend, der zwischen 2000 und 2004 sich eingependelt hatte, gebrochen scheint."

Einer der Gründe für rechte Gewaltbereitschaft sieht Pfeiffer in der hohen Arbeitslosigkeit in manchen Regionen: sie verstärke Ängste und Abwehrgefühle gegenüber Fremden, sagt er.

Höchstes Feindlichkeitsniveau

Zahlen aus einer bundesweiten Schülerbefragung haben dem Kriminologen aber noch eine weitere Erklärung geliefert: "Dort, wo die Ausländer als Gegenüber gar nicht greifbar sind, wo man von den Vorurteilen lebt in der Beurteilung, was das für Menschen sind - dort halten sich diese Vorurteile am nachhaltigsten, dort sind die Ängste am größten, dort haben wir auch das höchste Feindlichkeitsniveau." Und das sei, zumindest bei Schülern, im Osten Deutschlands höher als zum Beispiel in Stuttgart.

Kamara vom Afrika-Rat fühlt sich bestätigt und drängt auf ein entschlossenes Durchgreifen: "Wir haben kurzfristige und langfristige Forderungen: kurzfristig wäre, dass man diese rassistisch motivierten Gewalttaten ganz hart bestraft. Nicht mit der Todesstrafe, aber zum Beispiel, wenn jemand jemanden tötet, nur weil er schwarz ist, soll er lebenslang bekommen, nicht nur acht Jahre. Und langfristig müsste man einen Aktionsplan machen zur Bekämpfung von dieser Form von Rassismus. Diese Ablehnungskultur, wie ich das nenne, die muss man einfach bekämpfen."

Kontrolldichte erhöhen

Von härteren Strafen hält der Kriminologe Pfeiffer nicht viel: "Die Strafen sind hart genug: ob da zwei oder drei Jahre dabei herauskommen, das spielt für die Frage, ob man eine Tat begeht oder nicht, keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Täter wissen, sie kriegen richtig Ärger, weil die Polizei hinterher ist. Also die Kontrolldichte erhöhen, heißt das Risiko des Erwischt werdens erhöhen - das ist das Entscheidende."

Und dazu bedarf es einer höheren Polizeipräsenz. Die Polizei arbeite daran, versichert Kuhlmey. Doch auch die Prävention muss ausgebaut werden, findet Kriminologe Pfeiffer: Er setzt sich dafür ein, dass deutsche Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund sich sehr früh in gemeinsamen Kindergärten kennen und schätzen lernen. Für die Weltmeisterschaft in knapp vier Wochen werden solche Projekte noch keine Früchte tragen. Aber vielleicht ist ja wenigstens der Ball für mehr Gastfreundschaft und gegen Rassismus stärker ins Rollen gekommen.