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Fünf Jahre nach dem russisch-georgischem Krieg.

Amalia Oganjanyan / Markian Ostaptschuk8. August 2013

Auch fünf Jahre nach dem russisch-georgischen Krieg leben Vertriebene in Siedlungen, die der georgische Staat für sie unterhält. Doch nicht alle Menschen fühlen sich dort gut aufgehoben.

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Siedlung für Vertriebene aus Südossetien (Foto: DW)
Siedlung für Vertriebene aus SüdossetienBild: DW/A. Oganjanyan

Weiße einstöckige Häuser mit roten und blauen Dächern - so sehen die Siedlungen entlang der Straße von der georgischen Hauptstadt Tiflis nach Gori aus. Es sind Siedlungen für sogenannte Binnenvertriebene. Sie mussten ihre Häuser in Südossetien während des russisch-georgischen Konflikts verlassen, der am 8. August 2008 begann. Innerhalb weniger Tage starben Hunderte Menschen, Tausende wurden verletzt. Georgien hatte damals die Kontrolle über das abtrünnige Gebiet verloren. Russland erkannte Südossetien daraufhin als unabhängigen Staat an und stationierte dort eigene Truppen. Die Verantwortung für den Krieg schieben sich die Konfliktseiten gegenseitig zu.

Insgesamt gibt es in Georgien zwölf Vertriebenensiedlungen. In der Siedlung Schawschwebi, 70 Kilometer von Tiflis entfernt, leben heute mehr als 560 Personen. Vor manchen der frisch gestrichenen Häuser halten sich Menschen auf - die einen spielen Backgammon, andere unterhalten sich. Im Sommer 2008 flüchteten die Menschen zunächst nach Tiflis. Im Dezember desselben Jahres konnten sie dann die Häuser in Schawschwebi beziehen. Jede Familie erhielt ein Haus mit einer Fläche von 63 Quadratmetern.

Keine Sozialhilfe mehr

Galina Kelechsajewas Haus liegt am Rande der Siedlung Schawschwebi. Sie ist Ossetin und stammt aus dem Dorf Didi Liachwi. "Als wir zum ersten Mal das Haus betraten, standen da vier Betten, ein Küchentisch, vier Tassen und vier Teller. Alles für genau vier Personen", erinnert sich Kelechsajewa. Bis heute übernimmt der georgische Staat die Kosten für alle Reparaturarbeiten in der Siedlung. Die kommunalen Dienstleistungen müssen die Bewohner selbst zahlen. Ein ungelöstes Problem ist bis heute die fehlende Kanalisation. Doch jeder, der sie Siedlung besucht, gewinnt den Eindruck, dass die Vertriebenen alles haben, was zum Leben notwendig ist. Auch im Haus von Galina Kelechsajewa steht ein Fernseher. Es gibt bequeme Möbel, Obst und Süßigkeiten stehen auf dem Tisch.

Portrait von Galina Kelechsajewa (Foto: DW)
Galina Kelechsajewas Familie erhielt ein für vier Personen ausgestattetes HausBild: DW/A. Oganjanyan

Dieser relative Wohlstand, so die Bewohner der Siedlung, habe sich für sie auch nachteilig ausgewirkt. Früher hätten alle eine staatliche Sozialhilfe erhalten. Doch nach einer Prüfung, bei der Behördenvertreter Fernseher, Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte vorgefunden hätten, sei bei der Hälfte der Menschen die Sozialhilfe gestrichen worden. Jetzt bekämen sie nur noch eine monatliche Flüchtlingshilfe in Höhe von umgerechnet zehn Euro. Viele der Betroffenen sind deswegen empört. "Bürokraten! Sie kamen ins Haus und hielten sich an jeder Kleinigkeit fest. Vieles haben wir gar nicht gekauft, sondern geschenkt bekommen", erzählte Nugsar Otenaschwili der Deutschen Welle. Der 69-Jährige stammt ebenfalls aus Didi Liachwi.

Vertrieben seit 22 Jahren

Auch Nasi Beruaschwili bekommt keine Sozialhilfe mehr. Sie sei ihr aufgrund der in ihrer Wohnung vorhandenen Möbel gestrichen worden. Dabei seien diese Teil der Mitgift ihrer Schwiegertochter gewesen, sagte sie der DW. Die 51-jährige Nasi Beruaschwili verlor ihre Heimat bereits vor 22 Jahren. Anfang der 1990er Jahre, während des ersten Konflikts in Südossetien, floh sie von Zchinwali in das Dorf Eredwi. Im August 2008 musste sie ihr neues Zuhause in Eredwi wieder verlassen. Dass sie jemals wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren kann, glaubt Beruaschwili nicht.

Nasi Beruaschwili in ihrem Garten (Foto: DW)
Wie fast alle in der Siedlung hat sich auch Nasi Beruaschwili einen Garten angelegtBild: DW/A. Oganjanyan

Wie alle Bewohner in Schawschwebi hat auch sie einen kleinen Garten angelegt, auf den sie stolz ist. Meist bauen die Menschen dort Kartoffeln, Tomaten, Weizen und Sonnenblumen an. Manche halten auch Bienen. Mit den größeren Gärten in ihrer Heimat seien sie aber bei weitem nicht vergleichbar, bedauern die Vertriebenen.

Wladimir Zubaschwili ist ebenfalls aus dem Dorf Didi Liachwi geflüchtet. Er hofft immer noch, irgendwann dorthin zurückkehren zu können. Zu Osseten habe er immer ein gutes Verhältnis gehabt, sagte der Georgier der DW. An allem, was zwischen Osseten und Georgiern passiert sei, trage Russland die Schuld. Darüberhinaus, so Zubaschwili, könne er aber auch eines nicht vergessen: Die georgische Armee habe die Dörfer in der Konfliktzone verlassen - erst daraufhin hätten die schutzlosen Bewohner flüchten müssen.

Kleiner Laden auf Rädern

Am Rande der Siedlung Schawschwebi gibt es einen Laden - in einem umfunktionierten LKW. Gut läuft das Geschäft von Manana Batschetschiladse nicht. Viele Kunden haben Schulden bei ihr. Doch Batschetschiladse, die in einem Nachbardorf wohnt, hat Mitleid mit den Vertriebenen. So hilft sie auch der 71-jährigen Sidonia Gotschaschwili nach Hause und lässt für die kurze Zeit sogar ihren Laden unbeaufsichtigt.

Manana Batschetschiladse betreibt in einem umfunktionierten LKW einen kleinen Laden (Foto: DW)
Manana Batschetschiladse betreibt in einem umfunktionierten LKW einen kleinen LadenBild: DW/A. Oganjanyan

Sidonia Gotschaschwili kann kaum gehen und hat keine Angehörigen in der Siedlung. Ihre Tochter lebt in einer anderen Stadt und ihr Sohn starb bei einem Verkehrsunfall. Die alte Frau stammt aus dem Dorf Chejti. Dort sei während des Krieges im August 2008 ihr Sohn gefangen genommen und gefoltert worden, berichtete sie der DW. Wütend erinnert sich Gotschaschwili an das Leiden ihres Sohnes und daran, wie ihr Haus und alle neun umliegenden Dörfer im Tal niedergebrannt wurden. Einen Weg zurück in das von Russen kontrollierte Gebiet, in dem einst ihre Heimat lag, sieht sie nicht. Ihr einziger Trost sei heute, dass ihre Sozialhilfe verdoppelt worden sei. Pro Monat erhalte sie umgerechnet 27 Euro.