Gedenken an Beginn des Zweiten Weltkriegs
1. September 2014Bei der Gedenkveranstaltung richtete der polnische Regierungschef Donald Tusk den Blick auf das westliche Verteidigungsbündnis, die NATO. "Wir Europäer müssen aus dem tragischen polnischen September und den Jahren des Zweiten Weltkriegs eine Lehre ziehen, die kein naiver Optimismus sein darf", sagte Tusk auf der Westerplatte bei Danzig (Gdansk). "Wir Polen haben daher das Recht, laut zu sagen, dass niemand das Recht hat, unsere Initiativen zu blockieren, deren Ziel ein effektives Handeln der NATO ist", betonte der designierte Präsident des EU-Rates an dem Ort, an dem die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs gefallen waren.
Das Schlagwort "nie wieder Krieg" dürfe kein Manifest der Schwachen sein. Jetzt sei keine Zeit für schöne Worte, betonte Tusk. "Wenn wir heute auf die Tragödie der Ukrainer blicken, auf den Krieg im Osten unseres Kontinents, dann wissen wir, dass der September 1939 sich nicht wiederholen darf. Heute ist noch Zeit, denen Einhalt zu gebieten, für die Gewalt zum Arsenal ihres Handelns gehört."
Bundespräsident Joachim Gauck wird am Nachmittag gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Bronislaw Komorowski an der Gedenkstunde an den Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen auf der Westerplatte in Danzig teilnehmen. Als Zeichen des Dialogs zwischen beiden Ländern wollen die Staatsoberhäupter auch mit Jugendlichen diskutieren.
Fingierter Anlass
In den frühen Morgenstunden des 1. Septembers 1939 beschoss das Linienschiff "Schleswig-Holstein" die polnische Garnison auf der Westerplatte bei Danzig. Gleichzeitig stürmten deutsche Soldaten das polnische Postamt in der Stadt. Beide Ziele waren laut Versailler Vertrag polnische Exklaven auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig.
Die nur knapp 200 polnischen Soldaten leisteten unerwartet heftigen Widerstand, so dass es eine Woche dauerte, ehe die deutschen Truppen die als "Westerplatte" bekannte Halbinsel an der Weichselmündung eingenommen hatten.
Um die Invasion Polens zu rechtfertigen, hatte die deutsche Seite mehrere Vorfälle fingiert. Der bekannteste ist der vorgetäuschte Überfall auf den Sender Gleiwitz. Dabei stürmten SS-Angehörige, die als polnische Widerstandskämpfer verkleidet waren, den Radiosender und verbreiteten auf Polnisch die vermeintliche Kriegserklärung Polens gegen das Deutsche Reich.
Vor dem Reichstag verkündete Diktator Adolf Hitler am Vormittag dann: "Seit fünf Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen. Von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten." Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.
Gedenken in Gleiwitz
In der polnischen Stadt Gliwice (Gleiwitz) in Oberschlesien gedachten am Sonntag deutsche und polnische Bischöfe des Überfalls auf Polen vor 75 Jahren. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erinnerte gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen, Stanislaw Gadecki, an das Leid, das vom nationalsozialistischen Deutschland gerade auch über Polen gebracht wurde.
"Es stimmt nicht, dass das Erschrecken mit dem Abstand der Zeit geringer würde, nein, der Schrecken wächst eher", sagte Marx in seiner Predigt. Dass es dennoch zu einer Versöhnung gekommen sei, könne als ein "Wunder der Gnade Gottes" angesehen werden.
Der Münchner Kardinal erinnerte auch an das Versagen der Kirche: "Betroffen stehen wir vor der Tatsache, dass der Weltkrieg damals von der Kirche in unserem Land nicht als Unrecht geächtet wurde." Kirchen dürften "niemals mehr Instrumente des Gegeneinanders der Völker sein, sondern Brückenbauer, Versöhner, Friedensstifter", mahnte Marx. Das gelte auch über die Religionsgrenzen hinweg.
Gute Beziehungen
Marx würdigte in seiner Ansprache die guten aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen. Anteil hätten daran nicht nur die vielen prominenten Persönlichkeiten, die täglich im Rampenlicht stünden. Auch Jugendliche, Mitglieder von Kirchengemeinden und Partnerschaftsinitiativen bemühten sich um den Dialog.
Am Rande der Gedenkveranstaltung lobte der oberste deutsche Katholik die gute Zusammenarbeit mit den polnischen Kollegen, die ein "Werk der deutsch-polnischen Versöhnung" sei.
Staatspräsident Bronislaw Komorowski hob seinerseits den Beitrag der Kirche für das gute Verhältnis zwischen den Nachbarländern hervor. An der Gedenkfeier nahmen auch Vertreter der evangelischen Kirche in Polen und jüdische Repräsentanten teil.
mak/haz (dpa, kna)