Griechenland ohne Euro?
27. Februar 2012Ein geordneter Teilbankrott Griechenlands war bereits im Oktober auf dem Euro-Gipfel beschlossen worden. Banken, Versicherungen und Fonds sollen auf die Hälfte ihrer Forderungen gegenüber Griechenland verzichten. Diese Entschuldung wird in diesen Wochen gerade umgesetzt. Bis zum 12. März soll klar sein, welche privaten Gläubiger sich beteiligen und ob der geplante Schuldenerlass von 100 Milliarden Euro tatsächlich zustande kommt. Danach soll ein zweites Rettungspaket von 130 Milliarden Euro aus Mitteln des Euro-Rettungsfonds EFSF und des Internationalen Währungsfonds geschnürt werden. Würde man auf weitere Rettungsmaßnahmen verzichten und den Austritt Griechenlands aus der Eurozone befördern, wie das Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) offenbar vorschwebt, wäre folgendes Szenario denkbar:
Chaos programmiert
Käme eine plötzliche Pleite, würde das südeuropäische Land in ein wirtschaftliches Chaos stürzen. Die Regierung könnte den Beamten keine Gehälter mehr zahlen, Wasser- und Stromversorgung lägen brach, Unternehmen schlitterten reihenweise in den Konkurs. Auch müsste Athen den Schuldendienst einstellen. Davon betroffen wären in erster Linie die griechischen Banken, denn der Staat steht bei ihnen mit rund 60 Milliarden Euro in der Kreide. Verluste drohen aber auch öffentlichen Gläubigern wie der Europäischen Zentralbank, die griechische Schuldentitel gehortet hat. Diese Verluste würden die Anteilseigner tragen, also die Staaten der Eurozone. Bei einem geordneten Bankrott-Verfahren müssten europäische Hilfsgelder dann genutzt werden, um den Geldverkehr in Griechenland aufrecht zu erhalten. Auch dazu wäre ein wie auch immer geartetes Hilfspaket notwendig.
"Griechische Banken dürften einen Run auf ihre Einlagen erleben", sagt Christian Schulz, Analyst bei der Berenberg Bank in London. "Griechische Anleger dürften alles versuchen, um ihr Geld aus den Banken abzuziehen und möglichst ins Ausland zu bringen." Und das, so Schulz, dürfte die griechischen Banken in die Pleite treiben.
Austritt möglich
Eine noch tiefere Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland wäre also vorprogrammiert. Ein Austritt der Griechen aus der Eurozone könnte folgen. Zwar fehlt die rechtliche Grundlage für einen solchen Fall, "aber da gibt es schon Gedankenspiele, die das so anlegen, dass Griechenland quasi für eine gedachte Sekunde aus der EU austritt und dann sofort wieder eintritt", sagt Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW). Griechenland könnte dann so behandelt werden wie jene zehn EU-Mitglieder, die den Euro nicht wollen oder noch nicht reif für seine Einführung sind.
Die griechische Regierung könnte dann in Versuchung kommen, die alte Währung Drachme wieder einzuführen. Die neue Drachme würde gegenüber dem Euro um bis zu 50 Prozent abgewertet werden, sagen Fachleute. Zwar würden damit griechische Exportartikel mit einem Schlag wettbewerbsfähiger, doch das würde die Situation für die Griechen kaum leichter machen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Matthes. Denn die Verbindlichkeiten des Landes blieben weiterhin in Euro bestehen, die dann mit der "weichen" Drachme bedient werden müssten.
Ansteckung befürchtet
"Das würde die Schuldenlast der Griechen noch deutlich erhöhen", ist Matthes überzeugt. "Und das würde zu einem noch stärkeren Schuldenschnitt führen." Mit möglicherweise drastischen Folgen für Banken aus anderen europäischen Ländern, denn die haben dem griechischen Staat bislang rund 120 Milliarden Euro geliehen. Doch auch dieses Ausfallrisiko wäre für Europa zu verkraften. Denn nicht die eine oder andere Bankenpleite, sondern eine Ansteckung größerer Volkswirtschaften in der Eurozone ist letztendlich das Szenario, wovor alle Angst haben.
In diesem Zusammenhang wird Italien bereits an erster Stelle genannt. Zwar sehen die meisten Experten die italienische Wirtschaft in einer robusten Verfassung. "Aber Italien trägt eine sehr hohe Staatsschuldenlast, die ständig refinanziert werden muss", sagt Christian Schulz von der Berenberg Bank. "Wenn die Märkte Italien keine neuen Refinanzierungsmittel mehr geben sollten, dann könnte Italien tatsächlich in eine Pleite rutschen."
Szenario lieber nicht ausmalen
Bereits jetzt hängt Italien am Tropf der Europäischen Zentralbank. Da die Risikoprämien für italienische Anleihen immer neue Rekordhöhen erreichen, muss die EZB seit August 2011 durch den Kauf dieser Schuldscheine versuchen, die Zinsen für die Italiener auf einem erträglichen Niveau zu halten. Würde Italien unter der Zinslast ersticken und zahlungsunfähig werden, dann wäre auch die Existenz der Eurozone nicht mehr sicher, meint Schulz: "Spätestens wenn Frankreich davon betroffen würde, dann wäre es schwer vorstellbar, dass die Eurozone in der derzeitigen Form weiter besteht."
Dann drohe das weltweite Finanzsystem zusammenzubrechen. Um die Lage noch irgendwie in Griff zu bekommen, bräuchte Europa Hilfe von außen, sagt IW-Experte Matthes: "Am Ende wäre man in einer Situation, wo man definitiv auf Hilfe von außen - also von China und anderen Staaten - in großem Umfang angewiesen wäre. Das ist ein Szenario, das man sich eigentlich in den Details gar nicht weiter ausmalen möchte."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Bernd Riegert