Geboren im Donbass - Pass vom Schwarzmarkt?
5. August 2015Die Auseinandersetzungen zwischen prorussischen Separatisten und der Ukraine erschweren das Leben der Menschen in der Ostukraine auch in labilen Zeiten der Waffenruhe. Faktisch leben im Donbass seit einem Jahr schon rund drei Millionen Menschen in einer rechtlichen Grauzone. Laut ukrainischer Gesetzgebung sind die Bewohner der selbsternannten Donezker und Luhansker Volksrepubliken ukrainische Staatsbürger. Allerdings können in dem Gebiet, das nicht unter Kiewer Kontrolle ist, ukrainische Dokumente - wie etwa Reisepässe oder Geburtsurkunden - nicht ausgestellt werden. Andererseits werden die Dokumente mit dem Stempel einer der selbsternannten Volksrepubliken von der Ukraine nicht anerkannt.
Doch das Leben geht weiter, man sucht Lösungen. Die Standesämter in den "Volksrepubliken" haben schon neue, eigene Formulare eingeführt. "Bei uns hören die Leute ja nicht auf zu heiraten", berichtet ein Angestellter des Donezker Standesamtes. Er warnt aber: Außerhalb des Gebiets der sogenannten Donezker Volksrepublik seien diese Heiratsurkunden ungültig, ebenso die Geburtsurkunden. Die Standesämter besitzen auch noch ukrainische Formulare, aber die sind in den ukrainisch kontrollierten Gebieten schon seit November nicht mehr gültig. Die sozialen Netzwerke sind voll mit Fragen von jungen Müttern: "Wie kann ich eine ukrainische Geburtsurkunde für mein Kind bekommen?"
Rechtslücken
Dabei sollen ukrainische Papiere angeblich leicht zu bekommen sein für die Menschen, die in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten leben: Sie müssen nur aus dem Gebiet herausfahren und sich an eine zuständige ukrainische Behörde wenden. Für die Urkunden ist das zum Beispiel das Standesamt. Doch hier fangen die Probleme an: Um die "Grenze" zu überqueren, braucht jeder eine Art Passierschein, mit dem er sich dann in kilometerlangen Schlangen anstellen muss. Das ist zermürbend, aber noch gar nicht die größte Schwierigkeit.
Wenn ein Kind in einem Krankenhaus in den separatistisch kontrollierten Gebieten geboren wird, stellt das "Gesundheitsministerium" der selbsternannten Volksrepublik ein Dokument aus. Die ukrainischen Standesämter erkennen diese Urkunden aber nicht an. "Für alle Familien mit Neugeborenen, von denen ich weiß, ist es ein echtes Problem, eine ukrainische Geburtsurkunde zu bekommen", erzählt eine junge Mutter. Das gleiche Problem gibt es auch bei Sterbeurkunden.
Im Justizministerium der Region Donezk, das in dem von Kiew kontrollierten Gebiet liegt, wird diese Rechtslücke eingestanden. Gegenüber der DW hieß es, dass das Ministerium gemeinsam mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium eine Lösung dieses Problems finden werde. Bis dahin sollten Streitigkeiten vor Gericht geklärt werden.
Schwarzmarkt wieder gefragt
Die Menschen suchen andere Auswege: Vermittler auf dem Schwarzmarkt. "Der ukrainische Pass für meine 16-jährige Tochter kostete mich zweieinhalb Tausend Hrywnja (etwa 100 Euro). Ich konnte mit ihr nicht ausreisen, um ihre Papiere zu bekommen, weil wir keinen Passierschein hatten", erzählt eine Frau aus Donezk.
Die Menschen nennen unglaubliche Summen, die sie an Vermittler bezahlen, um einen Reisepass oder einen Personalausweis zu bekommen. Ohne einen gültigen ukrainischen Pass können sie auch nicht ins benachbarte Russland ausreisen.
Aber wie man rechtmäßig einen ukrainischen Pass in den nicht von Kiew kontrollierten Gebieten bekommt, das wissen die meisten Bewohner des Donbass nicht. In den selbsternannten Volksrepubliken hatten die Anhänger auf eine schnelle Ausgabe russischer Pässe gehofft. Weil das aber nicht eingetreten ist, sind auch sie beim Reisen auf ukrainische Papiere angewiesen.
Kostenlose Dokumente
Inzwischen gibt es in neun Regierungsbezirken der Ukraine und in Kiew Verwaltungen, die auch den Bewohnern der "Konfliktzonen" ihre neuen ukrainischen Pässe umsonst ausstellen. Alleine in Kiew gäbe es elf solcher Zentren, sagt Natalja Schamraij, Direktorin der Städtischen Kiewer Behörde, der DW.
"Es gibt in Kiew keine Probleme, Dokumente zu bekommen. Auch die Warteschlangen, die es noch im Herbst gab, sind verschwunden", berichtet Schamraij. "Wir hören von den Menschen, dass sie im Donbass riesige Summen auf dem Schwarzmarkt bezahlen, um ihre Dokumente zu erhalten. Dabei sind alle Pass-Dienstleistungen kostenlos. Man muss nicht auf dem Schwarzmarkt suchen und damit die Korruption unterstützen", fügt Natalja Schamraij hinzu.