Gebaute Macht
19. August 2003In Posen (polnisch: Poznan) steht das so genannte Kaiserschloss, ein neoromanischer Protzbau des letzten Hohenzollern-Kaisers Wilhelm II. Der hatte, um das 1793 von Preußen annektierte Posen auch architektonisch zu "germanisieren", dort neben der polnischen Altstadt an Stelle der geschleiften Befestigungsanlagen ein neues wilhelminisches Zentrum erbauen lassen. Königliche Akademie, Deutsches Theater, Ansiedlungskommission (für die Anwerbung deutscher Bauern in die annektierten polnischen Gebiete) und Bismarck-Denkmal ergaben eine eindrucksvolle steinerne Demonstration des preußisch-deutschen Macht-Anspruches.
Mittelpunkt des Ganzen war das "Kaiserschloss", das Wilhelm II. sich von seinem Lieblingsarchitekten Franz Schwechten im seiner Meinung nach deutschesten aller Baustile errichten ließ, dem romanischen Stil. Wilhelms Architektur sollte so aussehen, wie man zu Zeiten der großen Kaiser des Hochmittelalters im 11. und 12. Jahrhundert gebaut hatte. Oder besser gesagt, wie man sich das in Berlin um 1900 so vorstellte. Die wuchtigen Formen des Kaiserschlosses passten in jedem Falle gut zu seiner propagandistischen Bestimmung, eine "Zwingburg" im Osten darzustellen. Die "bezwungenen", annektierten Polen haben es auch so verstanden.
Zwischen 1918 und 1939 war Posen wieder polnisch, das Schloss hatte seine Funktion verloren. Während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg zog dort der so genannte Reichsstatthalter Artur Greiser ein. Aufwändige Umbauten begannen bereits 1940, wie man bisher meinte allein für den lokalen, "kleinen Führer".
Unerkannte Hitler-Residenz
Wie Forschungen des Freiburger Historikers Heinrich Schwendemann nun belegen, wurde das Innere von 1940 bis 1944 nach Hitlers eigenen Wünschen für ihn selbst umgebaut. Nach dem erhofften "Endsieg" sollte ihm das ehemalige Hohenzollern-Schloss als "Grenzmark-Pfalz" und Residenz im Osten zur Verfügung stehen. Nach Kriegsende gerieten diese nie öffentlich bekannt gemachten Pläne in Vergessenheit, obwohl der enorme Nazi-Pomp eigentlich zu auffallend für einen gewöhnlichen Gauleiter erschien.
Aus polnischen und deutschen Archiven rekonstruierte Schwendemann die wechselvolle Geschichte dieses symbolträchtigen Gebäudes. Wie an keinem anderen Ort in Polen kann hier der Historiker anhand von Form und Funktion der Architektur die unrühmliche und hochmütige preußisch-deutsche Polenpolitik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sichtbar und erlebbar machen.
Wie Schwendemann nun herausfand, finanzierte Hitler den Beginn der Umbauarbeiten sogar selbst. Mit zwei Millionen Reichsmark aus seinem Privatvermögen beendete er den Streit, der wegen der Finanzierung zwischen Finanzministerium, Innenministerium und Reichskanzlei ausgebrochen war. Hitlers Chef-Architekt Albert Speer leitete die Planungen, ausführende Architekten waren Franz Böhmer, Fritz Petrich und Heinrich Michaelis. Marmorverkleidete Wände und riesige Treppen, die zu einschüchternd großen Torbögen führen erinnern stark an die im Krieg zerstörte Neue Reichskanzlei von Albert Speer in Berlin. Nur hier in Posen ist solch eine nationalsozialistische Prunk-Architekur noch erhalten.
Vom Herrschaftssymbol zum Kulturpalast
In den letzten Kriegstagen 1945 wurde fast die gesamte (polnische) Altstadt Posens durch Artillerie-Beschuss zerstört. Nur die etwas außerhalb gelegene "Hohenzollern-Stadt" blieb mitsamt dem zur "Führer-Residenz" bestimmten Kaiserschloss erhalten. Aus purem Raummangel sahen nach dem Krieg die polnischen Behörden deshalb von einer Zerstörung ab. Teile der Stadtverwaltung und der Universität zogen ein. Seit den 1960er-Jahren dient das auf polnisch schlicht "Zamek" (das "Schloss") genannte Bauwerk als Kulturzentrum. Gemeinsam "Zamek" veranstaltet im Sommer 2003 die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Bandenburg im Neuen Palais in Potsdam auch eine Ausstellung über die Geschichte des Posener Kaiserschlosses (noch bis zum 12. Oktober 2003). Vom 10. November 2003 bis zum 18. Januar 2004 ist diese dann auch in Posen selbst zu sehen.