Nationalelf schon längst "nicht mehr deutsch"
3. Juni 2016"Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne", sagte der Politiker dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Profifußball sei "keine Frage der nationalen Identität mehr", sondern "letztlich eine Geldfrage", so der stellvertretende Parteichef der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD), Alexander Gauland.
Vor wenigen Tagen erst hatte seine unwürdige Attacke gegen Nationalspieler Jerome Boateng für Aufsehen gesorgt. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte den 75-Jährigen mit den Worten zitiert, die Leute fänden den dunkelhäutigen Innenverteidiger "als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben". Nachdem dies einen Sturm der Entrüstung auslöste, bestritt Gauland die Aussagen zunächst und behauptete, er kenne sich im Fußball nicht aus.
Der Großteil der Deutschen nicht "multikulti"
Dem "Spiegel" sagte er jetzt, die vielen Spieler mit Migrationshintergrund im Weltmeister-Team seien kein Beweis dafür, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist: "Ich glaube nicht, dass die Nationalmannschaft dafür das passende Symbol ist." Das Lebensgefühl der meisten Deutschen sei nicht "so multikulti": "Da gibt es noch immer eine starke Verbundenheit zu Land und Leuten und Geschichte und Tradition. Sie fiebern zwar mit dem Fußball mit, aber diese multikulturelle Welt ist den meisten noch immer fremd."
Im Aufgebot der Fußballnationalelf für die Europameisterschaft in Frankreich steht eine Reihe von Spielern mit ausländischen Wurzeln. Boatengs Vater kommt beispielsweise aus Ghana, der Vater von Mittelfeldspieler Sami Khedira aus Tunesien, Stürmer Mario Gomez hat einen spanischen Vater. Die Wurzeln von Verteidiger Shkodran Mustafi sind albanisch, Stürmer Lukas Podolski wurde in Polen geboren, Supertalent Leroy Sané hat einen Vater aus dem Senegal und die Mutter von Abwehrspieler Antonio Rüdiger kommt aus Sierra Leone.
Können Mekka-Pilger Beamte eines demokratischen Landes sein?
Mit Emre Can und Mesut Özil stehen zudem zwei türkischstämmige Spieler im Kader. Die Pilgerreise Özils nach Mekka bezeichnete der AfD-Politiker als "sehr gewöhnungsbedürftig für eine Partei, die den Islam nicht als Teil Deutschlands betrachtet". Bei Fußballspielern akzeptiere er dies, bei Beamten, Lehrern, Politikern und Entscheidungsträgern würde er aber "sehr wohl die Frage stellen: Ist jemand, der nach Mekka geht, in einer deutschen Demokratie richtig aufgehoben?"
Beliebter Nachbar Boateng
In der deutschen Bevölkerung wird die Einschätzung Gaulands zu Boateng offenbar nicht geteilt: Laut einer Umfrage hätten die allermeisten Deutschen den Fußball-Nationalspieler gerne zum Nachbarn. In der vorab veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid sprachen sich 82 Prozent der Befragten dafür aus. Auch bei den AfD-Wählern lag die Zustimmung bei 87 Prozent.
uh/wl (afp, sid)