Gauck in Äthiopien
18. März 2013Vier Tage bleibt der Bundespräsident in Addis Abeba und Umgebung, und er hat ein volles Programm. Am Sonntagabend (17.03.2013) traf er mit Ministerpräsident Hailemariam Desalegn zusammen. Das Gespräch, das von Teilnehmern laut der Deutschen Presseagentur (dpa) als "ungewöhnlich offen" beschrieben wurde, drehte sich auch um das Thema Menschenrechte - ein Thema, bei dem Gauck in Äthiopien nach Agenturmeldungen "berechtigte Sorge und Schatten" sieht. Man sei sich im Gespräch "natürlich nicht in jedem Punkt einig gewesen", so der Bundespräsident später.
Von seinem Amtskollegen, dem äthiopischen Präsidenten Girma Wolde-Giorgis, wurde Gauck dann am Montagmorgen offiziell empfangen.
In Deutschland war im Vorfeld des ersten Amtsjubiläums von Joachim Gauck viel von der Gestaltungsmacht des Bundespräsidenten die Rede. Auch in Äthiopien ist das Amt weitgehend zeremoniell und Präsident Girma - die äthiopische Namensnennung erfolgt auch bei hochrangigen Persönlichkeiten mit dem Vornamen - kaum in der Tagespolitik präsent. Umso überraschter waren die Äthiopier, als sich Girma 2011 in einem offenen Brief gegen die Verpachtung von Ackerflächen an ausländische Agrarunternehmen (bekannt als "Land grabbing") aussprach. Damit stellte er sich offen gegen die Politik des mächtigen damaligen Ministerpräsidenten Meles Zenawi.
Gaucks Lieblingsthema verbindet ihn mit den Äthiopiern
Später am Montag steht nach der Ehrung des äthiopischen Widerstandskämpfers Gudina Tumsa ein Treffen mit Vertretern der äthiopischen Zivilgesellschaft auf Gaucks Besuchsplan - ausreichend Gelegenheit für den deutschen Bundespräsidenten, sein Herzensthema "Freiheit" zu diskutieren. Zumal ihm äthiopische und verschiedene deutsche Menschenrechtsgruppen sowie das PEN-Zentrum Deutschland offene Briefe mit auf die Reise gegeben haben. "Bundespräsident Gauck soll sich für die drei äthiopischen Journalisten Eskinder Nega, Woubshet Taye und Reeyot Alemu einsetzen, die unter angeblichem Terrorverdacht im Gefängnis sitzen", sagte Sascha Feuchert vom PEN-Zentrum Deutschland der DW.
In der Tat haben Zivilgesellschaft und politische Opposition auch nach dem Tod des autoritär regierenden Premier Meles 2012 kaum Luft zum Atmen. Demonstrationen werden nur selten gestattet, Oppositionsparteien werden Tagungsräume verweigert. Noch am ersten Besuchstag Gaucks wurden laut äthiopischer Exilquellen mehr als 30 Demonstranten eines nicht genehmigten Protestzuges verhaftet, darunter der ehemalige UN-Sondergesandte und Oppositionsführer Yacob Hailemariam. Als im Mai 2012 auf dem Höhepunkt der "Arabellion" Studenten und Social-Media-Aktivisten eine Protestbewegung unter dem Motto "Beka" (amharisch für "Wir haben genug") gründeten, bezogen Scharfschützen rund um den zentralen Meskel-Platz in Addis Abeba Stellung.
Vom "Leuchtturm" zum unliebsamen Partner des Westens
Mitte der 1990er Jahre galt Äthiopien noch als "Donor Darling“ - ein Land, dem gerne Entwicklungshilfegelder zur Verfügung gestellt wurden - und als Leuchtturm einer afrikanischen Renaissance. Daraus ist heute ein eher unliebsamer Partner des Westens geworden, dem Deutschland gemeinsam mit seinen Verbündeten nach blutigen Wahlen 2005 die direkte Budgethilfe strich. Weitere Gründe waren Äthiopiens rigides Anti-Terror-Gesetz, die gesetzliche Beschränkung der Finanzierung und des Aktionsradius' von Nichtregierungsorganisationen sowie die institutionelle Gängelung freier Medien.
Hoffnungen auf einen äthiopischen Frühling unter dem in Finnland ausgebildeten Ingenieur und im September 2012 als Kompromisskandidat installierten Premier Hailemariam haben sich bislang nicht erfüllt. "Ich habe auch die Hoffnung auf einen frischen Wind gehabt, aber leider gibt es dafür keine Anzeichen" sagte der Äthiopien-Experte und Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Thilo Hoppe, dazu im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Besuch bei der Afrikanischen Union
Auf dem Programm des Bundespräsidenten in Addis Abeba darf eine Organisation nicht fehlen: die Afrikanische Union (AU). Am Montagnachmittag kommt der Bundespräsident mit der Vorsitzenden der AU-Kommission, der Südafrikanerin Nkosazana Dlamimi-Zuma, zusammen. Anschließend wird Gauck eine Rede bei der Sitzung des Rates der Ständigen Vertreter der AU halten. Auch dabei soll es um den Respekt von Menschenrechten gehen.
Deutschland unterstützt die AU seit Jahren. Seit 2006 sind insgesamt 170 Millionen deutsche Entwicklungs-Euro zur Unterstützung der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur, in den Aufbau der von der AU geplanten Panafrikanischen Universität sowie für das Panafrikanische Landwirtschaftsprogramm geflossen. Die im Bundesauftrag tätige Kreditanstalt für Wiederaufbau schloss flankierend Ende 2012 ein Finanzierungsabkommen mit der AU zur Unterstützung im Bereich Frieden und Sicherheit ab. Kurz zuvor feierte das neue Friedens- und Sicherheitsgebäude der Afrikanischen Union Richtfest - eine deutsche Schenkung in Höhe von knapp 27 Millionen Euro. Pikantes Detail: Gaucks Treffen mit Dlamini-Zuma findet nicht dort, sondern ausgerechnet in dem von den Chinesen für 200 Millionen US-Dollar errichteten neuen Konferenzgebäude der AU statt.
Afrikanische Erwartungen an Deutschlands Präsidenten
Die AU hat in den vergangenen Jahren an Profil gewonnen. Politische Krisen zwischen Kapstadt und Kairo werden inzwischen besser als noch zu Zeiten der Vorgängerorganisation "Organisation Afrikanischer Einheit" (OAU) moderiert. Dennoch wird sich der deutsche Besucher sicher erklären lassen wollen, wie man das Motto "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" mit Leben zu füllen gedenkt. Aktuell möglicherweise: mit Soldaten für die Mission in Mali.
Auch Vertreter äthiopischer Religionsgemeinschaften wird Gauck bei seiner Reise treffen. Der Programmpunkt hat vor allem aus Sicht der äthiopischen Muslime eine traurige Aktualität. Seit Monaten protestieren sie gegen die aus ihrer Sicht inakzeptable Einmischung der Regierung in religiöse Fragen. Diese weist die Kritik von sich und beruft sich auf radikalislamische Strömungen im Land, die es zu unterbinden gelte.
Am Mittwochabend werden Gauck und seine mitreisende Partnerin Daniela Schadt dann zurück in Berlin erwartet. Welchen Eindruck er nach seinem ersten Besuch in Afrika hinterlässt, wird sich zeigen. Die Erwartungen sind vor allem durch Ex-Bundespräsident Horst Köhler und dessen starkes Engagement für den Kontinent hoch.
Ludger Schadomsky leitet seit 2006 den amharischen Sprachdienst der Deutschen Welle, der seit 1965 nach Äthiopien sendet.