Gauck beendet Japan-Besuch in Nagasaki
18. November 2016Joachim Gauck hatte sich das genauso gewünscht. Die letzte Station seiner fünftägigen Japan-Visite am Freitag sollte Nagasaki sein, und eben nicht Hiroshima, wo die meisten hohen ausländischen Besucher das grelle Scheinwerferlicht suchen. Sondern er wollte an die Stadt erinnern, wo am 9. August 1945 durch die amerikanische Bombe "Fat Man" 70.000 Menschen starben. An die Metropole, in der von Anfang an auch der Zwangsarbeiter und der vielen Kriegsgefangenen gedachte wurde, die damals ums Leben kamen.
Im Atombombenmuseum der Stadt blieb der Bundespräsident vor den Zeichnungen von Noritaka Fukami lange nachdenklich stehen, in denen der Künstler das Flammenmeer über Nagasaki festgehalten hat, verkohlte Menschen am Boden, Kinder, die ihre Eltern nach buddhistischer Tradition verbrennen. Gauck traf auch mit einem Überlebenden des Atombombenabwurfs zusammen, den er als "komplett unnötig" bezeichnete. "Auch aus einer Demokratie heraus kann so etwas geschehen", warnte er.
Gauck besuchte auch die Gedenkstätte für die japanischen und ausländischen Christen, die in Nagasaki Ende des 16. Jahrhunderts gekreuzigt wurden, weil das Shogunat das Christentum in Japan ausmerzen wollte. Der Bundespräsident, Pfarrer und Mensch Joachim Gauck wollte dieses Programm genau so. Er möchte auch im Ausland zuhören, verstehen, nachempfinden, Emotionen zeigen.
Japan als Wunschziel
Es war kein Zufall, dass ausgerechnet Japan das Ziel von Gaucks letzter offizieller Fernreise wurde. Bei einer Preisverleihung in Kyoto sagt er: "Nie hätte ich es mir verzeihen können, wenn ich die Gelegenheit, Japan zu sehen, hätte ungenutzt vorbeigehen lassen." Und so erfuhr er im fernen Japan, wer sein wahrscheinlicher Nachfolger wird. Am zweiten Tag seiner Visite ist klar: Frank-Walter Steinmeier wird höchstwahrscheinlich zum nächsten Bundespräsidenten gewählt werden. Gauck hält ihn für einen würdigen Nachfolger, nennt ihn in Tokio einen "Homo politicus", dem er gerne - sozusagen post-präsidialen - Rat gebe, mit dann 77 Jahren.
In Japan konnte er aber noch mal sein ganzes Füllhorn an Herzensanliegen und -themen ausschütten, bei Begegnungen mit Spitzenpolitikern, Monarchen, Wissenschaftlern, Studenten und "normalen" Bürgern. Er gibt dem erzkonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe zu verstehen, dass er dessen Streben nach mehr Handlungsspielraum für Japans Militär bei internationalen Einsätzen unterstützt.
Beeindruckt von der Begegnung mit dem Kaiserpaar
Auch das Thema Frauenförderung in Japan ist ihm wichtig. Bei Studentinnen der Kyoto-Universität fragt Gauck interessiert nach, warum sie nur so geringe Chancen hätten, Karriere zu machen. Und der Bundespräsident genießt die menschliche Begegnung. Zum Beispiel bei der Audienz mit Kaiser Akihito und seiner Frau Michiko. Er spricht von menschlicher Wärme und Würde, die er gespürt habe, trotz des steifen Zeremoniells. Die Offenheit und Zugewandtheit eines Kaisers, der sein Amt nicht so einfach niederlegen darf, obwohl er amtsmüde und krank ist, von dem lebenslanges Dienen erwartet wird. Anders als Gauck, der sich entschieden hat, nicht mehr weiterzumachen.
Joachim Gauck ist natürlich auch eitel, nimmt sich selbst aber nicht allzu ernst. Bei seiner Rede vor der Eliteuniversität Waseda verspricht er sich, lächelt breit und merkt dann selbstironisch an: "Vor akademischem Publikum bin ich immer etwas nervös. Ich war nämlich ein schlechter Student." Mit dieser Bemerkung bricht er das Eis. Und aus einem akademischen Vortrag wird eine echte Herzensrede über Deutschland und Japan, über gemeinsame Sicherheit, über mehr militärisches Engagement. Eine junge Studentin fragt ihn, ob Deutschland Japan nun nicht entschiedener auch militärisch unterstützen könne. Gaucks Antwort: "Manche Wünsche kann auch ich nicht erfüllen." Aber er hat sich einen erfüllt - oder eigentlich zwei: Japan sehen und dann bald gehen.